Vampirzorn
der Alte sich noch ganz schön zusammenriss, um seinem Ruf als rechtschaffener, bodenständiger Mann gerecht zu werden.
Strachan riss sich ebenfalls zusammen; mittlerweile war er genauso nervös wie der Alte. Das war nicht gut. »Wir sind zu zweit«, sagte er. »Mit ein paar streunenden Hunden werden wir schon noch fertig! Außerdem haben sich die Hühner wieder beruhigt. Wir gehen rein!« Damit stieg er, dicht gefolgt vom alten Bishop, durch das riesige Loch in der Umzäunung.
Es war ein großes Freilandgehege mit Hühnerhäusern zu beiden Seiten und einem Laufsteg, der mitten hindurchführte. Doch als der Strahl ihrer Lampen die wabernden Nebelschleier durchschnitt, sahen sie, dass die Hühnerställe zerstört, regelrecht auseinandergerissen worden waren. Überall lagen Hühnerkadaver herum. Mit zitternden Händen hob der alte Bishop ein Huhn auf. Es zeigte nicht eine einzige Bisswunde am Körper, so als sei es vor Angst gestorben. Andere hingegen waren blutig, und einigen fehlte der Kopf.
Im Geist ging Strachan verschiedene Möglichkeiten durch und verwarf sie gleich wieder. Dies konnte zwar durchaus das Werk von Füchsen sein – alles deutete darauf hin. So viele Hühner mutwillig zu töten, entsprach genau ihrer Vorgehensweise. Doch Füchse hätten sich unter der Umzäunung hindurchgebuddelt und nicht den Draht durchgebissen; so etwas hätten sie nicht geschafft. Und Wildkatzen: Wildkatzen würden sich nie in die Nähe von Menschen wagen, schon gar nicht um diese Jahreszeit, wo es in der Wildnis an Nahrung nicht mangelte.
»Nun, was auch immer das angerichtet hat, ist jetzt weg«, krächzte der Constable. Er räusperte sich. »Die Hühner würden es uns schon melden, wenn es noch in der Nähe wäre.«
Der alte Bishop streifte ziellos durch die zertrümmerten Hühnerställe und sammelte Hühnerleichen ein. »Welche Hühner denn?« Im Schein von Strachans Lampe war sein Gesicht zu einer entsetzten Grimasse verzerrt. »Es ist keins mehr übrig!« Damit stolperte er weiter zur gegenüberliegenden Seite des Geheges.
»Was ist mit den Gehegen für das Rotwild?« Strachan fiel auf, wie unheimlich still es geworden war, und das gefiel ihm nicht. »Du sagtest, die Tiere wurden aufgescheucht?«
»Sie sind durchgegangen, aye! Meine Frau und ich, wir haben sie wie wild in den Wald rennen sehen. Man hätte meinen können, der ganze Park steht in Flammen, bei Gott! Aber, Gavin, jetzt sollte ich es dir sagen. Ich glaube nicht, dass das, was ich da draußen gesehen habe, Hunde waren. Ich weiß nicht, ich habe keine Ahnung, was es war ... aber mit Sicherheit keine Hunde!«
Ehe er noch etwas hinzufügen konnte, erscholl in einem großen Käfig, der ein gutes Stück von den Gehegen entfernt stand, ein lautes Quietschen und Kreischen. »Die Marder!«, stieß der alte Bishop hervor.
»Schnell! Zurück, raus durch das Loch!«, flüsterte Strachan heiser.
»Nein!«, entgegnete Bishop. »Hier entlang!«
Strachan stolperte über die kreuz und quer verstreut liegenden Bretter des zertrümmerten Hühnerhauses hinweg zu ihm. Bishop stand, wie Espenlaub zitternd, neben einem weiteren Loch, das in den Draht der Umzäunung gerissen worden war, und starrte wie gebannt auf eine Spur aus blutigen Federn, Flügeln und sonstigen Überresten von Hühnern, die in die nebelverhangene Nacht führte.
»Es reicht!« Strachan war wütend auf sich selbst, darüber, dass das offenkundige Entsetzen des Alten, ja, die ganze Situation, ihm Angst einjagte. »Jetzt wollen wir doch mal sehen, was für ein verdammtes Vieh wir hier vor uns haben!«
Sie stiegen durch das Loch im Zaun und rannten stolpernd auf den Marderkäfig zu, wo sofort zu sehen war, dass die Tiere nur gezetert und vor einem Eindringling und einer etwaigen Gefahr gewarnt hatten. Der Käfig war zwar unbeschädigt, doch irgendetwas war zweifellos hier gewesen. Denn den völlig verängstigten Tieren war ihre Furcht deutlich anzusehen. Dicht aneinandergedrängt klammerten sie sich mit allen vieren an die Maschendrahtabdeckung ihres Käfigs.
Der Dunst war dichter geworden, und die kniehoch wabernden Schleier rankten sich bereits bis in die Kronen der Bäume, die den Park säumten. »Dieser Nebel«, jammerte der alte Bishop und schauderte unwillkürlich, »Mann, der klebt ja richtig an einem!«
Es stimmte: Der Dunst schien lebendig, schwer wie der Atem einer Bestie. Die Strahlen ihrer Taschenlampen durchstachen den Nebel wie Lanzen, während sie auf das nächste Gehege zugingen, einen
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