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Vampyr

Vampyr

Titel: Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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damit. Farbe fand unter ihre aschfahle Haut zurück. Die Farbe seines Blutes. Mit jedem Schluck kehrte ein wenig mehr von ihrer einstigen Erscheinung zurück. Und schon bald war es nicht mehr eine verfallene Kreatur, die sich an seinem Blut gütlich tat, sondern dieselbe Schönheit, die das Glen Beag jahrhundertelang in Angst und Schrecken versetzt hatte.
    Während sich ihr Bild auf immer in seinen Verstand brannte, ritzte sich die Ushana mit ihren langen Klauen die Innenseite des Handgelenks auf und benetzte Rodericks kalte, tote Lippen mit ihrem Blut. Langsam rann es seine Kehle hinab und hinterließ dort einen fauligen und alten Geschmack. Plötzliche Dunkelheit legte sich über ihn, als wäre die Flamme seiner Seele erloschen. Die Welt war finster. Dann öffnete er die Augen.
    Kein Lufthauch drang durch seine Kehle in die zerfetzten Lungen. Krämpfe schüttelten seinen Leib. Sein zerschlagener Körper begann zu heilen. Roderick bäumte sich unter Qualen auf, als sich die Wunden, die Martáinns Schwert ihm zugefügt hatten, schlossen. Der Schmerz war kaum zu ertragen, löschte jede andere Empfindung.
    Die Männer hoben seine Trage auf und brachten ihn in eines der weniger zerfallenen Gebäude. Lange Zeit lag Roderick dort und wand sich unter dem tobenden Sturm, der in seinem kalten Körper wütete. Schließlich ebbte der Schmerz ab und ließ ihn ermattet zurück. Und in diesem Augenblick der Ruhe machte er eine Entdeckung, die ihn aufbrüllen ließ: Sein Herz schlug nicht. Nie zuvor hatte er dem steten Pochen seines Herzens wirklich Beachtung geschenkt. Jetzt jedoch, da es fehlte, erfüllte ihn das mit Grauen.
    In der folgenden Zeit war er zu schwach, sich um sich selbst zu kümmern. Seine Männer versorgten ihn, fingen ihm Hasen und Füchse, auf dass er seine Fänge in die pulsierenden Herzadern schlagen, sich an ihrem warmen Lebenssaft laben und damit die Kälte aus seinem Leib vertreiben konnte.
    Monatelang hauste er in den Trümmern. ]eder Lichtstrahl schmerzte in seinen Augen, Tageslicht verbrannte sein Fleisch.
    Gerüche waren zu intensiv, Geräusche zu laut und seine Zunge lechzte nach dem Geschmack von Blut.
    In den endlosen Nächten wartete er darauf, dass der Unendliche, der die Ushana zu dem gemacht hatte, was nun auch er war, zu ihm kommen würde. Doch er blieb fern. Womöglich hatte er die Ushana längst vergessen oder das Interesse an ihr verloren.
    Nur langsam begriff Roderick, dass er keinen Kampf gegen den Unendlichen, sondern nur gegen sich selbst, seinen Ekel und seinen Abscheu, auszufechten hatte. Danach wurde es leichter. Allmählich lernte er, sich seine neu gewonnenen Kräfte untertan zu machen und mit den Grenzen umzugehen, die sein Dasein jetzt mit sich brachte.
     
    Es war noch nicht lange her, dass er das letzte Mal auf diesem Hof gewesen war, ein zerstörter Körper, der sich nur langsam von dem erholte, was Martáinn MacKay ihm angetan hatte. Ich hätte ihm eine Kugel in den Schädel jagen sollen! Heute ging nicht einmal mehr das. Der Ring verhinderte es. Die durchlebten Qualen stiegen in Roderick auf, als wären sie nie vollends versiegt, durchströmten den Körper und die Seele des Wesens, zu dem er geworden war. Was hast du aus mir gemacht, MacKay? Zu welchen Dingen hast du mich gezwungen! Ein Zittern durchlief Roderick. Er hatte nicht geglaubt, dieser Regung noch fähig zu sein. Doch sein Bedauern kam zu spät. Was mit ihm geschehen war, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.
    Rodericks Augen wanderten ins Herz des Hofes. Dort, wo sich einst der Scheiterhaufen erhoben hatte, ragte eine gewaltige Eiche aus dem aufgebrochenen Erdreich. Ein Baum ebenso tot wie der Ort, an dem er stand. Die knorrigen kahlen Äste reckten sich weit über den Hof. Man sagte, die Eiche sei von Anfang an verdorrt aus der Erde gewachsen. Ohne ap Fealan wäre alles so einfach gewesen. Er hätte lediglich dafür sorgen müssen, dass MacKay mit ihm zur Eiche kam.
    Dieser verfluchte Ring! Er hatte geglaubt, er müsse nur warten, bis Martáinn ihn einmal ablegte. Doch er selbst hatte dafür gesorgt, dass das nie geschehen würde. Als er Martáinn den Ring gab – kurz vor Bruce’ Tod –, hatte er behauptet, ihn im Namen von Martáinns Vater zu überreichen. Ein Talisman, der ihn zeit seines Lebens begleiten sollte. Martáinn war keine Gelegenheit geblieben, seinen Vater nach dem Schmuckstück zu fragen. Er hatte ihn nicht mehr lebend wiedergesehen. So trug er den Ring in dem Glauben, es handele sich dabei

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