Vampyr
zeigen wollte. Der Boden des Hauses war übersät von Steinen, Dreck und verrottenden Tierkadavern. Er kannte diesen Anblick zur Genüge und wollte nicht an die erbärmliche Zeit erinnert werden, in der er zu schwach war, selbst auf die Jagd zu gehen, und sich mit den Tieren begnügen musste, die seine Männer ihm brachten. Er hasste das Gefühl von Fell auf seiner Zunge. Wie viel berauschender war es doch, zarte menschliche Haut zu kosten.
»Was denkt Ihr?«
Roderick zuckte die Schultern. »Vielleicht der Unterschlupf eines Wolfes. Nach einem Versteck sieht es mir nicht aus. Ich kann auch keine Fußabdrücke ausmachen.«
Ap Fealan runzelte die Stirn. »Wie könntet Ihr auch! Himmel, ich kann kaum den Boden erkennen!«
Roderick sah sich aufmerksam um. »Ich glaube nicht, dass sich jemand in den Gebäuden versteckt. Andernfalls hätten wir ihn längst aufgescheucht.«
»Vermutlich habt Ihr Recht. Gehen wir.«
Sie kehrten zu den Pferden zurück, schwangen sich in den Sattel und lenkten die Tiere der Eiche entgegen. Mit jedem Schritt wuchs die Eiche weiter zum Himmel empor, bis ihr Schatten sie verschlang und das Mondlicht auslöschte.
Plötzlich vernahm er ap Fealans gedämpfte Stimme neben sich. »Glaubt Ihr, dass an den Geschichten über die Ushana etwas dran ist?«
Roderick hatte daran gedacht, die Ushana zu vernichten, sobald er ihr Geschenk empfangen hatte. Doch bisher hatte er sie verschont. Erst musste er sichergehen, dass er ihrer Macht nicht mehr bedurfte. »Man kann nie wissen, Herr«, sagte er. »Wir sollten besser auf alles gefasst sein.«
Er zügelte sein Pferd am Fuße der Eiche. Gefrorenes Erdreich knirschte unter den Hufen. Zeitverschwendung! MacKay hätte hier sein sollen! Sein Blick schweifte zu ap Fealan und erneut überkam ihn eine Welle des Zorns. Stattdessen war er hier! Für einen Moment spielte Roderick mit dem Gedanken, ihn an Martáinns Stelle zu töten. Doch das ging nicht. Die Gefahr, dass einer der Männer es sah, war zu groß. Im Gegensatz zu seinem ursprünglichen Plan war er jetzt auch weiterhin auf seine Maskerade als Hauptmann angewiesen. Nur in Farrells Gestalt konnte er überhaupt in die Nähe des Earls gelangen, ohne sein Misstrauen zu erregen. Das durfte er nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Daeron ap Fealan würde noch früh genug sterben.
Einmal mehr verfluchte er sich dafür, Martáinn den Ring überhaupt geschenkt zu haben. Der Ring hätte den jungen MacKay schützen sollen. Wie hätte ich auch ahnen können, dass es längst zu spät war?
Zum wohl hundertsten Mal überlegte er, Sutherland den Befehl zu erteilen, Martáinn MacKay einfach zu töten. Aber Sutherland war der einzige Verbündete, der ihm innerhalb Dun Brònachs geblieben war, alle anderen hielten sich unter Murdochs Führung außerhalb der Burg verborgen. Wenn sein Mordanschlag auf Martáinn ebenso fehlschlug wie das Attentat auf dem Marktplatz, würde Sutherland am Galgen enden. Dann hätte Roderick keine Augen und Ohren mehr in der Burg, niemanden, der in seinem Sinne Einfluss nehmen könnte.
Was musste Catherine ausgerechnet an diesem Tag ankommen! Wenn sie den Attentäter nicht entdeckt hätte, müsste er sich jetzt keine Gedanken darüber machen, wie er MacKays Leben ein Ende bereiten konnte.
Roderick gab vor, sich umzusehen, doch in Wirklichkeit beobachtete er ap Fealan, der angestrengt in die mondhelle Nacht starrte. Lange Zeit verharrten sie schweigend. Der Wind zog flüsternd zwischen den Ruinen hindurch, ohne dass Roderick die schneidende Kälte verspürt hätte, die auf seinen Schwingen lag. Er blickte hoch zu den Ästen der Ushana-Eiche. Jeder kleine Zweig trug etwas von der Macht des Baums in sich, dennoch wäre seine Wirkung weitaus schwächer. Es würde nicht genügen, Martáinn nur in seine Nähe zu bringen. Um den Bann des Rings zu brechen, würde der Earl den Zweig berühren müssen.
Ap Fealan wurde allmählich unruhig. Ihm war deutlich anzusehen, dass es ihn nach Dun Brònach zurückzog. Auch Roderick hatte genug davon, seine Zeit zu verschwenden. »Herr, ich glaube nicht, dass noch etwas geschehen wird.«
»Ich fürchte, Ihr habt Recht, Hauptmann. Vermutlich haben Sutherlands Männer bemerkt, dass wir ihnen eine Falle gestellt haben, und sind längst umgekehrt. Wir ziehen uns zurück.« Mit diesen Worten wendete der Waliser sein Pferd und trat es in die Flanken.
Roderick wartete, bis ap Fealan ein gutes Stück entfernt war, dann reckte er eine Hand nach einem der mächtigen
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