Vampyr
gut.«
»Ich habe dich dreimal gefragt, wie du dich fühlst. Du scheinst mich nicht einmal gehört zu haben. Erzähl mir nicht, dass es dir gut geht!« Betha streckte die Hand aus. Heiß legten sich ihre Finger auf Catherines Stirn und schreckten kurz zurück, ehe sie ihre Wange berührten. »Herr im Himmel, du fühlst dich ja eiskalt an!«
Brennende Hitze strahlte von Bethas Hand geradewegs unter Catherines Haut und erfüllte sie mit lebendiger Wärme. Doch die Berührung war nicht genug, um die Kälte in ihr abzutöten. Sie brauchte mehr! Ihre Augen fanden zur Innenseite von Bethas Handgelenk, wo sich ein sanfter Pulsschlag unter der Haut abzeichnete. Unwillkürlich leckte sich Catherine über die Lippen, während sich ihr Mund jener Stelle näherte.
Plötzlich zog Betha die Hand zurück und erhob sich. Da erst wurde Catherine bewusst, dass sie den Mund geöffnet hatte, bereit zuzubeißen. Erschrocken schloss sie ihn wieder. Sie betrachtete noch immer Betha, die sich daranmachte, ein Feuer im Kamin zu entfachen, doch ihr Geist zog sich aus dem Raum zurück. Sie wusste, dass Betha wieder zu sprechen begonnen hatte, spürte die schmerzhafte Intensität ihrer Worte, ohne ihren Sinn zu begreifen.
Ich hätte beinahe … Was geschieht mit mir? Wann hatte es begonnen? Die Flut von Reizen, die mit jedem Atemzug über sie hereinbrach, und die Furcht, die damit einherging, nahmen sie derart gefangen, dass es ihr schwer fiel, einen klaren Gedanken zu fassen. Dennoch gab es ein Wort, das sich immer wieder in ihren Verstand drängte. Vater. Hatte er einen Fluch über sie gelegt, der ihr weit mehr als den Schmerz brachte?
Sie runzelte unwillkürlich die Stirn. Das war lächerlich! Und doch … Wo sonst sollten die beängstigenden Veränderungen herrühren, wenn nicht von einem Fluch oder einem bösen Zauber? Doch wer konnte ihr helfen? Daeron war nicht hier, ebenso wenig wie Martáinn. Sie wusste ja nicht einmal, ob sie überhaupt darüber sprechen konnte, ohne dass die Schmerzen zurückkehrten. Wenn es sich tatsächlich um einen Fluch handelte, gab es nur einen Ort, an dem sie Rat suchen konnte: die Kirche.
Catherine schlug die Decke zurück und stand auf. Sofort schien sich alles um sie herum zu drehen und lediglich ein hastiger Griff nach dem Bettpfosten konnte verhindern, dass sie stürzte. Warum war sie so schwach?
Hunger! , schrie eine beharrliche Stimme in ihrem Innersten, so laut, dass sie sich um ein Haar die Ohren zugehalten hätte. Zitternd stand sie da und wartete darauf, dass die Schwäche aus ihren Gliedern wich, während die Kälte des Steinbodens durch ihre nackten Fußsohlen in ihre Knochen kroch.
»Himmel, Kind!«, rief Betha. »Leg dich wieder hin! Ruh dich aus! Ich mache dir einen heißen Tee. Wieso trägst du überhaupt einen Plaid?« Catherine hatte endlich die Kraft gefunden, aus eigenen Stücken zu stehen. Sie löste sich vom Bettpfosten und schlüpfte in ihre Schuhe, als Betha auf sie zukam. »Catherine, was hast du vor?«
»Ich will in die Kirche«, war alles, was sie hervorbrachte.
Betha runzelte die Stirn. »Es ist mitten in der Nacht!«
Catherine nickte. »Ich weiß. Aber ich … ich muss einfach …« Sie drehte sich um und stürmte aus dem Raum. Früher einmal hatte sie alles mit Betha geteilt, hatte ihr stets gesagt, was sie bewegte und was sie fühlte.
Das ist jetzt vorüber. Im selben Moment wurde ihr bewusst, dass das nicht stimmte. Es hatte bereits vor langer Zeit geendet. Das belauschte Gespräch zwischen ihrem Vater und Craig Sutherland hatte alles verändert. Von da an hatte sie sich nicht einmal mehr Betha anzuvertrauen gewagt. Zu groß war ihre Angst gewesen, die alte Amme mit ihrem Wissen in Gefahr zu bringen.
Catherines Augen folgten dem Gang, streiften über die rauen Steinwände und nahmen die Farbenpracht der kunstvoll verzierten Wandteppiche in sich auf, ehe sie an den Fackeln hängen blieben, die kalt und dunkel in ihren Halterungen steckten.
*
Dichter Nebel lag wie ein feuchtes Tuch über Asgaidh und hüllte Catherine in einen Ozean aus Stille. Zum ersten Mal, seit sie erwacht war, verspürte sie keinen Schmerz hinter ihren Schläfen.
Dampfend stieg ihr Atem in die kalte Nachtluft auf. Obwohl sie ihren Mantel zurückgelassen hatte, bemerkte sie die Kälte kaum, schien sie doch längst ein Teil von ihr geworden zu sein. Es war jetzt nicht mehr weit bis zur Kirche, dennoch wurden ihr Schritte zunehmend langsamer.
Nach ihrem Aufbruch aus Dun Brònach hatte
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