Vampyr
Raum streckten und über die Bücherregale streiften, die sich vor den kargen Wänden erhoben.
»Nehmt Platz.« Angus deutete auf einen Sessel, der vor einem Schreibtisch stand. »Ich hole Vater Ninian.«
Daeron nickte geistesabwesend. Ein dumpfes Pochen hinter seiner Schläfe ließ ihn die Hand an den Kopf heben. Seine Finger streiften über getrocknetes Blut.
Als Vater Ninian kurz darauf den Raum betrat, hielt er ein kleines Bündel in Händen. »Ich hätte nicht gedacht, heute Nacht die rechte Hand des Earls unter meinem Dach zu empfangen. Wie ich hörte, seid Ihr verletzt?« Seine Augen wanderten über Daerons Gesicht. »Setzt Euch, damit ich mir –«
»Habt Ihr eine junge Frau gesehen?«, fiel Daeron ihm ins Wort. Obwohl Vater Ninian sie erkannt haben musste, wenn sie hier war, wollte er ihren Namen nicht preisgeben. »Einen Kopf kleiner als ich, rote Locken. Sie trägt einen Plaid. War sie hier?«
Vater Ninian schüttelte den Kopf und Daeron wollte schon gehen, da sagte der Priester plötzlich: »Moment! Da war jemand. Es könnte tatsächlich ein Mädchen gewesen sein.«
»Wo ist sie?« Daeron tat einen Schritt auf den Priester zu, bereit an ihm vorbeizustürmen, sobald er die Antwort hatte.
»Ich weiß es nicht. Sie ist weggelaufen.«
»Weggelaufen?« Warum sollte sie das tun? »Danke, Vater.« Er musste seine Suche fortsetzen, bevor Catherine etwas zustieß. So wie Farrell. Daeron wollte zur Tür.
Vater Ninian legte ihm seine knochige Hand auf den Arm und hielt ihn zurück. »Lasst mich zuerst Eure Wunde versorgen.«
Daeron streifte die Hand des Priesters ab. »Ich muss sie finden.«
»Mit Verlaub, Herr, Ihr seht nicht gut aus. Wenn –«
»Nicht gut?« Er lachte bitter. »Ich weiß nicht, wie Ihr an meiner Stelle aussehen würdet, Vater.« Plötzlich musste er es aussprechen. Es drängte ihn danach, herauszufinden, ob es sich ebenso unglaublich anhörte, wie es sich anfühlte. »Ich habe gerade einen Toten gesehen, mit dem ich keine Stunde zuvor noch gesprochen habe.«
»Ich verstehe.« Der alte Priester nickte. »Der Tod ist für jeden von uns eine schlimme Sache. Stand er Euch nahe?«
»Nein, Ihr versteht nicht. Nicht einmal annähernd. Er war ein enger Vertrauter, doch das ist es nicht. Der Mann, den ich fand, war nicht erst seit einer Stunde tot. Es ist als … als hätte jemand, der aussah wie er, seinen Platz eingenommen.« Das klingt vollkommen verrückt! Der Priester konnte ihm nicht helfen, er würde seine Worte lediglich der Verletzung zuschreiben. »Das alles ist unsinnig. Verzeiht, dass ich Euch damit belästigt habe. Es war ein sehr langer Tag.«
Vater Ninian betrachtete ihn nachdenklich. »Seid Ihr sicher?«
Daeron fuhr sich über die Augen. Es gab so viele Dinge, die er nicht verstand. Dinge, über die er sich Klarheit verschaffen musste. Der Anblick von Farrells Leichnam wollte ihm nicht aus dem Kopf gehen. Ebenso wenig wie Catherines Worte. »Etwas stimmt nicht, aber ich kann nicht sagen was. Ich kann die Gefahr beinahe körperlich spüren, aber … Es hört sich alles so bizarr an.«
»Ich kenne Euch seit vielen Jahren und weiß, dass Ihr ein aufrechter Mann seid, der sich nicht so leicht täuschen lässt. Warum versucht Ihr nicht, es mir zu erklären?«
Der Priester deutete auf den Sessel. Daeron überlegte einen Moment, dann nahm er Platz. Der Gedanke, kostbare Zeit bei seiner Suche nach Catherine zu verschwenden, nagte an ihm. Zugleich hegte er die leise Hoffnung, Antworten zu finden. War nicht das Haus Gottes der richtige Ort dafür?
Vater Ninian legte das Bündel auf den Schreibtisch und öffnete es. Daerons Augen streiften über Salben und Verbandsleinen, während der Priester Wasser aus einem Krug in eine Schale goss.
»Ich weiß, wie sich das anhören muss«, begann Daeron schließlich. »Ein Toter, mit dem ich eben noch gesprochen habe, obwohl er längst tot sein musste.« Womöglich hätte er selbst begonnen an seinem Verstand zu zweifeln, wenn es nicht noch weitere seltsame Ereignisse gegeben hätte. Vater. Ein einziges Wort, gesprochen in Angst. »Sie erwähnte einen Mann, der seit Monaten tot ist – voller Furcht, als wäre er noch unter uns.«
»Sie?« Der Priester stellte die Wasserschale auf dem Tisch ab und sah auf. »Das Mädchen, nach dem Ihr sucht?«
Daeron nickte. »Sie benimmt sich merkwürdig, doch ich weiß nicht, was ihr fehlt. Schon vor einiger Zeit sprach sie von einem Wesen in der Dunkelheit.«
»Hatte sie sich gefürchtet?« Vater Ninian
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