Vandark - Ein Spooky-Abend am Kamin
austauschten und hinterfragten. Wer weiß – vielleicht hätten wir ja bald zu einem solchen unverzüglichen und direkten Gespräch auch über Entfernungen hinweg Möglichkeiten. Wie ich hörte, hat ja gerade ein Erfinder namens Morse wohl einen neuen Schreibapparat vorgestellt, der den Austausch von Worten über weit laufende Signalleitungen ermöglichen soll. Aber das ist für uns natürlich noch unerreicht. So bleibt mir nur der alte Postweg. Aber Du verstehst mich sicher – wenn mir etwas auf der Seele liegt, muss ich es möglichst schnell mit Dir teilen.
Aber wie ich schon schrieb, ich weiß noch nicht recht wie. Ich fange einfach einmal an.
Du weißt, ich verließ London am 14. Juni, um auf einer Exkursion nach Cornwall mein Wissen über die Merry Maidens zu vertiefen und die Steine genauer zu untersuchen. Die Reise war sehr angenehm. Ich kann Dir nur empfehlen, die neue Eisenbahn-Verbindung auszuprobieren. Ich konnte so bequem, komfortabel und schnell von London über Bristol bis Exeter fahren. Welch ein Fortschritt! Die zwei Tage in der Kutsche weiter bis hierher waren ja dann nur noch ein Katzensprung. Was glaubst du wohl, wie phantastisch das alles werden kann, wenn die geplante Verbindung von London bis Penzance tatsächlich entsteht.
Und Du kennst ja meine Vorliebe für die See. So suchte ich meine Unterkunft nicht in direkter Nähe zu den Maidens, sondern quartierte mich in dem Haus einer sehr netten Witwe oberhalb von Lamorna Cove ein. Ein phantastischer Blick auf das Meer breitet sich vor mir aus. Das müsstest Du einmal sehen! So genieße ich die Abende hier oben vor dem Haus sitzend oder ich steige die weit über hundert Fuß hohe Anhöhe zur Wasserlinie hinab. Ich liebe diesen Wind, den Geruch und die Weite.
Aber das alles ist ja nicht das, worum es hier geht. Da ist noch etwas ganz anderes. I ch habe mich verliebt! Verliebt – ausgerechnet ich! Nein, nicht nur in die Landschaft. Richtig in einen Menschen. Aber ich weiß nicht, wer sie ist. Und ich weiß weder, wo sie herkommt, noch, wo sie wohnt. Gleichermaßen ist mir ihr Name noch verborgen. Und rätselhaft sind die Umstände unserer einzigen Begegnung.
Es geschah vor zwei Tagen. Ich hatte mein Tagwerk beendet und lag in meinem Nachtgewand in meiner angemieteten Kammer. Die Kerzen hatte ich schon gelöscht. Nur noch das schwache Mondlicht half den Augen, irgendwelche Konturen in dem Raum zu erkennen, so der Schlaf einen noch nicht übermannt hatte. Da sah ich sie plötzlich! Ich hatte keine Erklärung, wie sie in mein Zimmer gekommen war. Aber da stand sie – nur vier oder fünf Fuß von mir entfernt. Eine schlanke Erscheinung, ganz in weiß gekleidet. Langes, vielleicht dunkelblondes Haar; so genau konnte ich das nicht erkennen. Sie blickte auf mich herab. Sie schien überrascht. Sie kannte mich sicher genau so wenig wie ich sie.
‚Was machst du hier ?‘ Der Klang ihrer Stimme traf mich wie ein Pfeil. Welche Sanftmut! Kennst Du das Gefühl, wenn himmlische Töne, einer Engelsstimme gleich, an Dein Ohr dringen? So erging es mir.
‚Ich nächtige hier. Ich habe die Kammer angemietet‘, lautete meine Antwort. Und ich entgegnete ihrer Frage und fragte meinerseits, was denn sie hier mache.
‚Ich suche .‘ Mit dieser Antwort konnte ich nichts anfangen. Doch auf mein Nachfragen bekam ich keine Antwort. Stattdessen griff sie meine Hand. Welch eine Zartheit berührte mich da! Ich spürte ihre feinen Glieder. Die Umrisse eines Fingerringes, vielleicht eines Siegelringes, drückten sich in meine Hand. Erregung durchzuckte meinen Arm bis in mein Herz hinein. Kennst Du dieses Gefühl unermesslichen Glücks, das dich schlagartig trifft? Ich kann es nicht anders beschreiben, aber so erging es mir. Jetzt konnte ich sogar ihre Augen erkennen. Und wieder bleibt mir nur der Vergleich mit einem Engel – anders kann ich dieses Leuchten nicht beschreiben.
Sie wandte sich wieder ab. ‚Wer bist du? Wo kommst du her ?‘ Meine Fragen blieben unbeantwortet. Wortlos ging sie und schloss die Tür hinter sich. So schnell ich konnte sprang ich aus meinem Bett und stürzte hinaus auf den Flur. Doch ich sah sie nicht mehr. Auch nicht in der Küche. Das Zuschlagen der Haustür machte mir klar, dass sie fort war. Ich eilte hinaus. Doch in der Dunkelheit mit dem umstehenden Buschwerk erkannte ich nichts.
So legte ich mich mit vielen Fragen in meinem Kopfe wieder zur Ruhe.
Am nächsten Morgen befragte ich meine Wirtin. Doch diese sah mich nur
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