Vandark - Ein Spooky-Abend am Kamin
wonach sie suc he. Doch sie antwortete nur, das würde ich schon sehen, falls wir es fänden. Ich bat sie zu warten, sprang wieder ins Zimmer und kleidete mich hastig an. Dabei hatte ich immer ein Auge durchs Fenster auf sie, doch sie wartete tatsächlich.
‚Und wohin gehen wir nun?‘
Sie zuckte nur mit den Schultern, drehte sich weg und ging los. Ich folgte ihr im Abstand von einigen Fuß. Dann und wann blieb sie stehen, bückte sich, ging wieder weiter. So stiegen wir langsam von der Höhe hinab. Schweigsam. Nur ab und zu drehte sie sich kurz um, um mir ein herzliches Lächeln zuzuwerfen. Überglücklich lächelte ich zurück.
Dann, ungefähr auf halber Höhe, kniete sie vor einem Strauch wilder Veilchen nieder. Ich vernahm deutlich ihr Schluchzen. Plötzlich sprang sie unvermittelt auf und rannte ohne sich umzudrehen davon. Ich folgte ihr noch einige Zeit, doch ich verlor sie hinter einem Felsvorsprung aus den Augen. Ich suchte noch einige Augenblicke, doch ich wusste, dass ich in der Dunkelheit kaum eine Chance hätte.
Aber ich bin überglücklich. Ich weiß, wie sie heißt. Und sie scheint mich in ihr Vertrauen zu ziehen
Jetzt ist es doch wieder ein längerer Brief geworden, aber ich denke, du verstehst mich.
Ich bin gespannt auf deine Reaktion
Dein Matthew“
„Armer Matthew! Du warst sicher genau so gespannt, wie ich es jetzt bin.“ Melanie las den nächsten Eintrag.
„Für heute habe ich mir vorgenommen, mir genauer die Stellen anzusehen, die ich in der vorletzten Nacht mit Violet abgegangen bin. Doch zuvor gebe ich noch den Brief an George in der Poststelle ab.
Ob ich hier im Dorf mal nach Violet fragen soll? Vielleicht kennt sie ja doch irgendwer. Aber andererseits – Violet will allem Anschein nach nicht auffallen. Sie wird ihre Gründe haben. Meine Fragerei könnte dem zuwider laufen. Und Violet scheint mir zu vertrauen. Das darf ich nicht zerstören. Keinesfalls!“
Säuberlich faltete Melanie den zuvor gelesenen Brief wieder zusammen und verfuhr wie mit dem ersten.
„Wie hätte ich reagiert?“
Ihre Gedanken schweiften ab zu dem jungen Herrn dieses Hauses.
„Mein Gott! Wenn er eines Nachts neben meinem Bett stände – ich glaube, ich würde mich vergessen!“
Für einen winzigen Augenblick stellte sie sich Michael vor, wie er vor ihrem Bett stände. Sie schüttelte leicht ihren Kopf. Dann blätterte sie das empfindliche Tagebuchblatt um und entnahm den dritten Brief.
„Lieber George!
Die Ereignisse überschlagen sich!
Ungeheuerliches ist geschehen.
Heute ging ich nochmal den Weg ab, den ich vorletzte Nacht mit Violet ging und über den ich dir in meinem gestrigen Brief schrieb. Mir fiel nichts auf, bis ich zu der Stelle mit den Veilchen kam. Bei genauerem Hinsehen stach mir ins Auge, dass diese Stelle bei weitem nicht so wild war, wie ich angenommen hatte. Die Blumen blühten auf einer eindeutig künstlichen Aufschüttung. Das war für einen normalen Menschen eher nicht zu erkennen. Aber meinem geschulten Auge entging dies nicht, obwohl diese Aufschüttung schon viele Jahre alt sein musste. Mein archäologischer Ehrgeiz war geweckt. Ich eilte zurück, um mein Arbeitsbesteck zu holen, und machte mich an die Arbeit. Vorsichtig legte ich Schicht um Schicht frei.
Ich stieß auf einen Knochen, dann noch einen. Die obersten Teile eines Skelettes zeigten sich, zum Teil in Linnen gewickelt. Zu klein für einen Menschen. Irgendein Tier, so dachte ich – bis ich die oberste Schicht des Schädels freigefegt hatte. Der Schädel eines Kindes! Ich schaute mich um. Niemand beobachtete mich. Ich deckte die sichtbaren Knochen wieder zu, damit niemand, der zufällig vorbeikäme, sich an diesem Grab zu schaffen machen würde.
Ich eilte hinunter in den Ort und kehrte kurz darauf mit dem im Dorf wohnenden Police Constable zurück. Gemeinsam setzten wir meine Arbeit fort.
Eine erste Sichtung der Leichenreste ergab, dass sie z war nicht jüngeren Datums waren – das hatte ich ja auch schon auf Grund der Erdaufschüttung vermutet -, aber sie waren auch nicht wirklich alt. Vielleicht zwanzig oder dreißig Jahre. Und, oh Graus, das Kind war erschlagen worden. Die Beschädigung des Schädels war eindeutig.
Zurück im Dorf untersuchten wir die Fundstücke genauer. Dabei fiel aus den Stoffresten ein aufklappbares Amulett heraus, das wohl zu irgendeiner Halskette gehört haben mag. Im seinem Innern entdeckten wir ein Bild zweier Mädchen. Ich erschrak. Eines dieser Mädchen
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