Vanilla aus der Coladose
gegeben!
Die Mücke kam zurück und setzte sich schrill sirrend auf Lailis Ohr. Laili holte aus und verpasste sicheine saftige Ohrfeige. Aber die Mücke war längst über alle Berge. Wie Laili sie beneidete. Die konnte einfach wegfliegen. Missmutig stützte sie den Kopf in die Hände und starrte auf den See hinaus. Das Piratenleben hatte sie sich anders vorgestellt!
L eise gluckernd schwappte das Wasser gegen den Fels. Die Zweige der Trauerweide wisperten ein Flüsterlied im Wind. Es roch nach Sommer und Hitze und See und Vanille. Vanilla lag auf dem Steg und hielt ihr Gesicht in die Sonne.
»Sie lagen vor Madagaskar . . .«, trällerte sie vor sich hin, ». . . und hatten die Pest a-han Bord. In den Fässern, da faulte das Wasser und täglich ging einer über Bord.«
»Kannst du mal damit aufhören«, maulte Laili. »Du gehst mir echt auf den Geist!«
»Bin ja auch einer«, kicherte Vanilla. »Komm, Laili, mach nicht so ein Gesicht. Sieh’s mal als Abenteuer.
Das Abenteuer auf der Pirateninsel.«
»Tolles Piratenabenteuer«, murrte Laili. »Rumhocken und warten . . .«Sie sprang auf. Dieses untätige Herumsitzen machte sie wahnsinnig. Sie beschloss, nach einem Boot Ausschau zu halten, und kletterte auf den untersten, knorrigen Ast der verkrüppelten Eiche in der Mitte der Insel. Von hier aus konnte sie wie vom Mastkorb eines Segelbootes aus fast den ganzen See überblicken. Doch alles, was sie sah, waren ein paar weiße Wolken, die schnell übers Wasser heranzogen. An den Rändern fransten sie unablässig aus, um sich dann zu neuen Formen zusammenzusetzen.
Unten am Steg schmetterte Vanilla lauthals:
Und endlich nach 30 Tagen
,
da kam ein Schiff i-hin Sicht . . .
Laili platzte der Kragen. »Wenn du nicht sofort die Klappe hältst«, schrie sie Vanilla von ihrem Ausguck aus zu, »dann . . . dann . . .dann tunke ich deine große Zehe ins Wasser!«
Zwei Sekunden lang war von Vanilla nichts zu hören, doch dann rief sie »Laili!« und fuchtelte aufgeregt mit den Armen. »Schau mal! Da! Da!« Sie deutete auf das Dickicht der Weidenäste, die ins Wasser hingen und einen dichten Vorhang bildeten.
Laili hopste von ihrem Ast und lief auf den Steg hinaus. Sie hatte erwartet, Fräulein Müller zu sehen. Doch stattdessen – sie traute ihren Augen kaum – kam ein Schiff in Sicht. Wie in dem Lied. Nur dass es keine 30 Tage gedauert hatte. Und dass es kein Schiff war, sondern ein kleines rot-weißes Ruderboot, das sich da durch den hellgrünen Blättervorhang schob.
»Huuuuuuhu! Hier sind wir!«, rief Laili.
»Zu Hilfe! Wir sind in Seeeeenot!«, schrie Vanilla, die es gern etwas dramatischer hatte. Sie sprang auf und winkte mit beiden Armen. Als der Bootsbug aus dem Geäst hervortauchte, trällerte sie: »Schiff ahoi! Wir sind gerettet!« Sie hakte sich bei Laili ein und tanzte ausgelassen eine Runde auf den Planken des Stegs.
Auch Laili hopste vor Freude und Aufregung auf und ab. Doch plötzlich hielt sie mitten in der Bewegung inne. Die Jubelrufe blieben ihr im Hals stecken. Sie kannte diese weißblonden Strohhaare, die die abstehenden Ohren nur mühsam verdeckten, und auch die zwei Zahnlücken oben, links und rechts von den Schneidezähnen, die dem Mädchen ein hamsterartiges Aussehen verliehen. In dem Ruderboot saß niemand anders als Beate Bockisch, ihre Erzfeindin. Schon im Kindergarten hatten sie sich nicht ausstehen können. Und daran hatte sich bis heute nichts geändert. Laili stöhnte auf. Musste denn von allen Menschen auf der Welt ausgerechnet Beate hier auftauchen?
Auch Beate machte ein grimmiges Gesicht, als sie Laili erkannte. »Was machst du denn hier?«, knurrte sie.
Laili kratzte sich am Kopf. Das fing ja gleich gut an. So war Beate eben – reizend wie immer.
Aber Vanilla ließ Laili nicht zu Wort kommen. »Wir sind in Seenot! Unser Boot hat ein Leck«, rief sie fröhlich, ohne auf Beates unfreundliche Begrüßung einzugehen. »Wir dachten schon, wir würden hier ewig festsitzen. Aber jetzt bist du ja da: die edle Retterin der zwei Piratinnen!«, beendete Vanilla ihre Schiffbrüchigen-Ansprache.
Beate, die mit verwirrtem Gesicht Vanillas rätselhaften Ausführungen gelauscht hatte, entdeckte die schlaffen gelben Überreste des Schlauchboots auf dem Steg. Jetzt verstand sie. Ein kleines, gemeines Lächeln erschien auf ihren schmalen Lippen und Laili beschlich ein ungutes Gefühl. Beate hätte sicher nichts dagegen, wenn sie hier verfaulte . . .
»Tja, dumm für euch gelaufen«, meinte
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