Vanilla aus der Coladose
Rest der Insel war schnell durchsucht.
»Ich gebe auf«, stöhnte Vanilla und sah Laili zerknirscht an.
Laili seufzte. Sie wusste auch nicht mehr weiter. Sie hatten getan, was sie konnten. »Aber das mit Fräulein Müller musst du meinem Bruder schon selbst erklären«, sagte sie.
Vanilla schlurfte mit hängenden Schultern zum Steg zurück. Von Tänzeln keine Spur mehr. Auf einmal tat sie Laili leid. Sie wollte nicht in ihrer Haut stecken, denn wenn Olaf sauer war, dann konnte er echt fies sein. Früher hatte er Laili bei ihren Streitereien immer an den Haaren gezogen. Inzwischen hatte er sich auf bissige Bemerkungen verlegt. Und das war weitaus schlimmer . . .
»Bei der rostigen Öllampe!«
Vanillas Fluch riss Laili aus ihren Gedanken. Sie sah auf. »Was ist denn los?«
Stumm deutete Vanilla mit ihren Funkelfingern auf das Schlauchboot, das schlaff im Wasser lag. Offensichtlich hatte es sogar ihr die Sprache verschlagen. Die beiden stolperten den Steg hinaus und starr-ten auf das Boot – oder das, was davon übrig war. Schlapp schaukelte die gelbe Hülle im Wasser und gab ein letztes, gedehntes
Pfffffffhhhh!
von sich. Dann war Ruhe.
W ie . . . wie kann denn so was p-passieren?« Vanillas Augen waren groß und rund vor Entsetzen. Unter ihrer Milchkaffee-Bräune wirkte sie auf einmal aschfahl.
»Schlauchboote kriegen leicht Löcher.« Laili dachte nach. »Vielleicht hat sich ein Holzsplitter reingebohrt. Oder ein Nagel oder –«
»Jaja, schon gut, Sherlock Holmes«, schnaubte Vanilla. »Das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Lass dir lieber was einfallen, wie wir von hier wegkommen.«
»Jetzt maul mich doch nicht an. Ich kann auch nichts dafür«, gab Laili zurück.
»Doch. Du bist schließlich volle Kanone gegen den Steg gebrummt.«
Laili schnaufte empört. »Dir kann so was ja auch nicht passieren, du hast ja keinen Finger krumm gemacht beim Rudern. Und hast du mal darüber nachgedacht, warum wir überhaupt mit einem Schlauchboot rausgefahren sind, hm?«
Vanillas Kinn begann, verräterisch zu zittern.
Aber jetzt kam Laili erst so richtig in Fahrt. »Weil du nämlich deine neugierige Nase in das Zimmer meines Bruders stecken musstest. Und dann warst du auch noch so clever, den Deckel des Terrariums offen zu lassen. So dusselig ist ja noch nicht mal Mathilda!« Und das war wirklich eine schwere Beleidigung.
Vanilla ließ sich auf den Steg sinken und schlug die Hände vors Gesicht. Ihre Schultern bebten.
Oh nein! Vanilla weinte. Das hatte Laili nicht gewollt. Auf einmal tat ihr ihr Ausbruch leid. Sie kniete sich neben Vanilla und streichelte ihr zögernd über die Haare, die sich wie Seide anfühlten. »Entschuldige, Vanilla«, flüsterte sie. »Ich hab’s nicht so gemeint . . . Außerdem . . .« – sie sah übers glitzernde Wasser – ». . . außerdem ist es doch nicht so schlimm. Wir schwimmen einfach zurück, ja?« Aber sie klang wenig überzeugt von ihrem eigenen Vorschlag. Denn bis ans Ufer war es schrecklich weit. So weit, wie sie noch nie geschwommen war. Und hatte ihre Mutter ihr nicht immer wieder eingeschärft, dass sie auf keinen Fall so weit rausschwimmen durfte? Deshalb war sie ehrlich gesagt ein wenig erleichtert, als Vanilla den Kopf schüttelte.
»Nein«, schniefte das Flaschengeistmädchen und sah Laili unter ihren langen Zauberwimpern hervor an. Obwohl keine Tränen gekommen waren, waren ihre Augen gerötet. »Das geht nicht. Weil . . .« Sie stockte und schniefte noch einmal.
»Weil?«
». . . ich nicht schwimmen kann.«
»Du kannst nicht schwimmen?«, wiederholte Laili ungläubig. Vanilla war 333 Jahre alt und konnte nicht
schwimmen?
»Na ja, Dschinn sind Feuergeister, verstehst du?«
Laili verstand
nicht
.
»Feuer und Wasser, verstehst du?«
»Ähm ja . . . äh . . . eigentlich nein.«
Vanilla seufzte. »Du bist aber auch nicht gerade die Schnellste. Wasser löscht Feuer. Schon mal gehört? So ein paar Tropfen machen mir nichts aus. Aber wenn ich ins Wasser falle, dann verlösche ich. Zisch. Aus. Ende.«
»Oh.« Jetzt wurde Laili so einiges klar. Zum Beispiel, warum Vanilla sich beim Bootfahren so angestellt hatte. Und dass das Flaschengeistmädchen ein ziemliches Risiko auf sich genommen hatte, um mit ihr auf diese Insel zu fahren. Wie unglaublich mutig! Oder dämlich. Wie man es nahm.
»Und jetzt?« Laili legte den Arm um Vanillas schmale Schultern.
Vanilla zuckte die Achseln. Schweigend sahen die beiden aufs Wasser hinaus, das im Sonnenlicht glitzerte. Die Luft
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