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Vanilla aus der Coladose

Vanilla aus der Coladose

Titel: Vanilla aus der Coladose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Hierteis
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spähte ins dunkelblaue Wasser, auf dem die Sonne glitzerte. Wie eine Schildkröte schob sie das Kinn weit vor, um sich nur ja nicht über den dicken Gummirand beugen zu müssen.
    »Und?«, fragte Laili.
    »Nichts. Nicht mal ein Fisch.«
    Fünf Minuten später.
    »Und?«, schnaufte Laili.
    »Immer noch nichts. Nicht mal eine Alge.«

    Wieder fünf Minuten später.
    »Und?«, keuchte Laili.
    »Fehlanzeige. Nur eine Sonnencremeflasche.« Vanilla zuckte mit den Schultern und warf ihre langen Haare zurück. »Und eine grüne Badekappe mit rosa Rüschenrand ist auch an mir vorbeigeschippert.«
    Ob die wohl die Froschfrau verloren hatte?, fragte sich Laili. »Oh Mann, ich kann nicht mehr«, stöhnte sie. »Ich brauche eine Pause.«
    »Komm, ein Stückchen geht schon noch. Du machst das ganz super. Wie eine echte Piratin!«, spornte Vanilla sie an. Anstatt ihr anzubieten, selbst einmal die Ruder zu übernehmen, löste sie Olafs Totenkopftuch von ihrem Hals und schlang es sich in Piratenart um den Kopf. Sogar so sah sie noch hinreißend aus. Das Leben war echt ungerecht!
    »Ein Stückchen?«, maulte Laili. »Weißt du, wie weit wir inzwischen auf dem See draußen sind? Bestimmt schon einen halben Kilometer. Und die Schlange kann hier überall sein. Die finden wir nie . . .«
    Auf einmal begannen Vanillas dunkle Augen zu leuchten. »Und wenn Fräulein Müller auch die Puste ausgegangen ist?«, meinte sie und sah Laili triumphierend an.
    »Hä?« Laili rieb sich die schmerzenden Arme.
    »Na, wenn sie auf der Insel ist und sich ausruht?«
    Jetzt verstand Laili. Die Idee war gar nicht so doof. Also legte sie sich wieder in die Riemen und nahm Kurs auf die Insel.
    Die Insel war vielleicht doppelt so groß wie Lailis Zimmer und bestand aus einem schroffen Felsen. Vier verkrümmte Laubbäume krallten sich mit knorrigen, langen Wurzeln, die teilweise in die Luft standen, verzweifelt auf dem steinigen Untergrund fest. Trotzdem hingen eine Birke und eine Trauerweide fast senkrecht übers Wasser. Es sah aus, als drohten sie, jeden Moment abzurutschen.
    Die Mädchen umrundeten die Insel mit dem Boot und suchten nach einem Anlegeplatz. Sie duckten sich unter den bis ins Wasser hängenden Ästen der Weide hindurch. Dahinter fiel der Fels etwas seichter ab. Es öffnete sich eine kleine Bucht, in der ein alter, windschiefer Holzsteg in Sicht kam, der vom Ufer aus nicht zu sehen war.
    Laili staunte. So weit war sie noch nie draußen gewesen. »So ein Glück. Hier können wir anlegen.« Sie machte noch zwei kräftige Ruderschläge, dann stieß das Schlauchboot gegen den Pfosten des Stegs und schrammte ratschend daran entlang. Gleich darauf ertönte ein leises
Ffffffffff!
– ein seltsamer, fast stimmloser Pfeifton, den aber weder Vanilla noch Laili bemerkten.
    »Gut gemacht, Käpten Wuschelhaar«, rief Vanilla lachend, als Laili das Seil des Boots am Pfosten festzurrte und als Erste auf den Steg kletterte. Dann reichte sie Vanilla, die sich zögernd erhob und sich auf dem schwankenden Boot mit kleinen, unsicheren Tippelschritten vorwärtsbewegte, die Hand und half ihr beim Aussteigen. Vanilla wirkte sehr erleichtert, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Flaschengeister waren anscheinend ausgeprägte Landratten.
    »Toll, eine richtige, kleine Seeräuberinsel!«, meinte Vanilla. Laili sah sich um und nickte. Ob hier wohl ein Schatz vergraben lag? Wäre da nicht die lästige Suche nach Fräulein Müller gewesen, sie hätten hier super spielen können . . . Aber so musste man ja immer Angst haben, dass unter jedem Stein oder Busch eine bissige Schlange lauerte. Kein schöner Gedanke.
    Aufmerksam darauf bedacht, nur ja nicht auf ein morsches Brett zu treten, liefen die beiden über den kurzen Steg auf die Felseninsel. Den Korb hatten sie noch auf den Steg gehoben, damit er in Reichweite war – als Schlangenjäger musste man mit Bedacht vorgehen.
    Wie zwei Indianer schlichen sie geduckt im Gänsemarsch durchs Unterholz, die Augen aufmerksam auf den trockenen, steinigen Boden gerichtet. Vanilla hielt die Flöte wie eine Waffe in der Hand, ihre Augen huschten hastig nach allen Seiten. Sie hofften und fürchteten zugleich, Fräulein Müller hier zu finden. Mit einem kleinen Stöckchen und angehaltenem Atem drehte Laili zwei tellergroße, flache Steine um. Fehlanzeige. Sie schlichen weiter, an einer Eiche vorbei und umrundeten ein kleines, üppig blühendes Heckenrosengestrüpp, hinter dem der Fels schroff ins Wasser abfiel. Auch der

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