Vanilla High (German Edition)
auszulachen. „Immerhin lässt Gott zu, dass man in seine göttliche Ordnung hineinpfuscht.“ - „Gott lässt auch Verbrechen zu, Mord, trotzdem verstoßen wir gegen göttliche Gesetze, wenn wir morden. Die Gesellschaft muss sich gegen sinnloses Altern schützen. Die Welt braucht Platz für Neues, für neue Menschen.“ - „Wer hindert dich daran, geistig jung zu bleiben.“ - „Das geht nicht Paul, das geht nicht.“ - „Du solltest den Menschen wenigstens die freie Wahl lassen, das ist ihr Recht.“ Ich will den Menschen nicht die freie Wahl lassen, weil ich weiß, was dabei rauskommt. Ich will dafür kämpfen, dass eine Mehrheit in der Gesellschaft das Programm zur beliebigen Lebensverlängerung sanktioniert und kriminalisiert. Verbote haben ihren Sinn, auch wenn sie nicht für jeden Sinn machen. „Ich will nicht sterben. Ich habe eine Scheiß Angst vor dem Tod und noch eine größere Angst zu altern, hin zu einem persönlichen Verfall mit Schmerzen, von dem ich Zeuge werde, wenn ich nicht im Griff einer teuflischen Demenz bin, gegen die die konventionelle Medizin noch keine Mittel hat. Ich will diesen Verfall nicht.“ - „Es gibt immer gravierende Interessenkonflikte zwischen dem Individuum und der Gesellschaft. Die großen ideologischen Kämpfe der Geschichte geben davon Zeugnis. In vielen Dingen war es positiv, dass die Rechte des Individuums gestärkt wurden. Aber hier in unserem Fall muss das Gemeinwohl dem individuellen Wohl vorgezogen werden.“ - „Woher nimmst du die Dreistigkeit zu behaupten, dass die Lebensverlängerung gegen das Allgemeinwohl steht.“ - „Du kennst meine Argumente, eine Gesellschaft der Alten ohne Junge ist gegen das Leben und Stillstand. Du glaubst, dass mit der Lebensverlängerung gleichzeitig das Paradies eintritt. Aber du führst dein beschissenes, frustriertes Leben einfach nur weiter und jedes weitere Jahr wird beschissener.“ Er guckt mich ungläubig an. Ich muss zugeben, dass Wein und Ganja das ihre tun, dass meine Argumente nicht die intellektuelle Schärfe besitzen, die sie haben sollten, aber ich bin wenigstens emotional und leidenschaftlich. Der Konflikt Individuum – Gesellschaft. Ich, das Individuum, maße mir an, zu bewerten, was für die Gesellschaft, die Menge aller Individuen, gut ist. Ich würde meine Meinung auch versuchen, diktatorisch umzusetzen, obgleich das etwas gegen meine eigenen Prinzipien verstößt. Ich fühle mich gut, weil ich meine zu wissen, was gut für die Menschheit ist. Ich fühle mich in Gottes Hand, der mich mit seiner Weisheit inspiriert. Ich muss meinen Kreuzzug führen. Paul und ich verstehen uns nicht, wollen uns nicht verstehen. Wer bin ich, dass ich mir so gewiss bin? Ganja nagt manchmal an meiner Selbstsicherheit. Paul versucht es mit einem Kompromissvorschlag. „Es müsste Länder mit Lebensverlängerung und welche nach deiner Vorstellung geben.“ - „Dann bräuchte man einen eisernen Vorgang. Das funktioniert nicht. Genauso wenig wie die Koexistenz zwischen Kommunismus und Kapitalismus, die Geschichte hat es gezeigt.“ - „Du bist also der Kommunist und ich der böse Kapitalist, der nur auf sein eigenes Wohl aus ist.“ - „Fick deine Models!“ Er guckt beleidigt. „Würde ich gerne machen, Kommunist. Lass mich träumen.“ Letztendlich war der Kommunist der Böse. Bin ich der verbohrte Extremist, der seinen Blick dafür verloren hat, was die Menschen wirklich wollen? Wegen eines Ideals vor Augen? „Das menschliche Leben wird von fast allen Religionen als Schicksal des Leids angesehen. Gesucht wird die Erlösung. Jetzt, da uns die Tabok ein bisschen Erlösung geben können, sträubst du dich dagegen.“ - „Naah, die Tabok können uns keine Erlösung geben. Wirkliche Erlösung kommt nur von Gott. Ich habe nichts gegen die Unsterblichkeit der Seele. Das wird schon gehen, unendliches Sein und Freude bei Gott.“ Paul lacht mich aus, verletzend. „Wenn das so ist, muss das menschliche Leben auf Erden dir einen Scheiß wert sein. Was zählt ist ja die ewige Seele.“ - „Paul, das ist primitiv, weißt du, das ist sehr primitiv. Noch viel primitiver als deine Bildershow von Models, die du dir täglich reinziehst.“ - „Arul, ich frage dich ernsthaft. Sollen wir die müßige Diskussion beenden? Es besteht die Gefahr, dass wir uns verletzen. Ich will das nicht. Du bist mein Freund.“ Ich habe Lust weiter zu streiten. Ich habe meine Argumentation noch gar nicht auf den Punkt gebracht. Es ist nicht einfach zu
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