Vanilla High (German Edition)
Splitterkirchen bildete, steht im offenen Streit mit dem Vatikan, der sich als Fürsprecher für die vielen Latinos fühlt, die noch nicht zur amerikanisch-evangelikalen Kirche gepresst worden sind. Elisabeth ist auch katholisch aufgewachsen, stammt aus einer katholischen Oberschicht, die es durchaus auch in den USA gab. Es soll sogar Präsidenten gegeben haben, die katholisch waren. Dies ist heute kaum noch vorstellbar. Ich hatte erste Erfahrungen mit der Prohibition gemacht, erinnere mich, dass ich es als recht unangenehm empfand, auf meinen Rotwein zu verzichten. Ich habe mich diesmal mit Psychopharmaka eingedeckt, die mir über das gröbste hinweghelfen sollten, falls sich so etwas wie ein Entzug einstellt. Die USA sind das einzige Land mit Prohibition. Selbst in der islamischen Union ist es erlaubt, an öffentlichen und nichtöffentlichen Plätzen Alkohol zu trinken, wenn auch die Preise gesalzen sind. Ich werde es erstmal ohne Pille versuchen. Ich glaube, ich bin nicht alkoholkrank. Es wird möglicherweise schon unangenehm sein, auf Alkohol zu verzichten. Ich vergleiche es mit dem Fasten, das ist auch an den ersten Tagen unangenehm und dann fällt es ganz leicht. Ich habe keine Ahnung, was in den nächsten Tagen auf mich zukommt. Was hat der LCL geplant? Welches Risiko bin ich bereit einzugehen? Ich werde mit Elisabeth intensiv diskutieren müssen; dabei war ich es, der in meiner ersten Mail einen Anschlag auf das Methusalem Life Center erwogen hat. Ich treffe mich mit den drei Verbrechern, die dieses Life Center finanzieren, planen und bauen lassen. Na, ich bin nicht sicher, ob ich auf Zuckerberg treffen kann. Ich werde sie interviewen und nichts von meiner Überzeugung durchschimmern lassen. Ich werde sachliche Fragen stellen, die die eine oder andere Position berücksichtigten. Ich werde objektiven Journalismus betreiben. Es gibt keine Akte Arul Ramassami. Auf Reunion herrscht Gedanken – und Meinungsfreiheit. Niemand interessiert sich für meine Haltung zum Programm, die ich in meiner journalistischen Arbeit für den Mement o immer ausgeklammert habe, aus konspirativer Vorsicht. Von mir ist vielleicht bekannt, dass ich ein Säufer und ein religiöser Hitzkopf bin, aber das ist auch privat. Die Republik La Reunion ist ein merkwürdiges Konstrukt. Es gibt zwar auch einen Geheimdienst, der beschäftigt sich aber mit Einreisenden und der Gefahr, dass gegen die Insel ein atomarer oder andersgearteter Erstschlag ausgeführt wird. Möglicherweise betrachtet man mich hier in den Staaten als solch einen Agenten und möglicherweise wird man mich auch irgendwie überwachen. Man wird möglicherweise sämtliche Mails lesen, die ich mit Elisabeth Morgane ausgetauscht habe, und vermuten, dass wir etwas miteinander hatten, aber es ist absurd anzunehmen, dass ich gekommen bin, um einen Anschlag auf das Life Center auszuüben.
Das Wetter in Vancouver ist hochsommerlich mit Nachmittagstemperaturen um 25 Grad Celsius, um mich herum gibt es aber nur Angaben in Fahrenheit. Ich mache mir einen Spaß daraus, sie im Kopf umzurechnen. Das erinnert mich an meine Kindheit, an eine Phase, in der ich mich sehr für Physik interessierte und der Unterricht die verschiedenen Temperatureinheiten zum Thema hatte. Mein Englisch ist verkehrstauglich, habe keine Probleme mich zu verständigen. Ich bin nun einen Tag in Vancouver. Die Stadt ist für mich ein unbeschriebenes Blatt, ihre Größe erschlägt mich, obgleich es weit größere Städte in der Welt gibt. In dieser leben so viele Menschen wie auf ganz Reunion. Sie hatte in den letzten Jahren rasante Zuwächse, da vom Klimawandel begünstigt. Ich habe nicht über diese Stadt recherchiert, aber es soll eine sehr schöne Stadt sein mit hoher Lebensqualität, vorausgesetzt in den Staaten ist so etwas wie Lebensqualität noch möglich. Ich jedenfalls habe am ersten Abend schon Lexal genommen. Ich saß in meinem Hotelzimmer, schaute amerikanisches Fernsehen mit kranken Hollywoodproduktionen, die niemand auf der Welt mehr sehen will, schwitzte etwas, war etwas nervös, die Zimmertemperaturen waren ok, wie ich umrechnete, aber an diesem Abend fehlte definitiv etwas, wie ich feststellen musste. Ich versuchte die knappe Woche, die ich hier sein würde, zu planen. Der Spesenplan vom Memento war großzügig. Ich hatte drei Tage zur freien Verfügung. Heute habe ich mir Teile von Vancouver angeguckt, war auch um das zukünftige Life Center herumgeschlichen, kein
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