Vanilla High (German Edition)
„La Reunion“ ausweist. Selbstverständlich muss ich später abrechnen, denn beispielsweise meine Reise nach Seattle fällt nicht unter die Spesen. Ich habe Alina Magdalena und Theresa nicht wiedergesehen. Das ist auch vielleicht besser so. Meine Erinnerung an sie wird verblassen, ein seelisches Gleichgewicht versucht sich einzurichten, möglicherweise werde ich die „dunkle“ Seite in mir verdrängen und die masochistischen Züge von mir, die zweifelsfrei vorhanden sein müssen, nicht weiter in meine sexuelle Vorstellungswelt einbauen. Vor Alina gab es keinen Sklaven und Alina gibt es nicht mehr. Mit ihr wird der Sklave vergehen. Ich betrüge mich gerne selbst. Ich denke an Elisabeth und an die mögliche Aufgabe, die auf mich zukommt. Ich habe noch die Wahl nein zu sagen. Es spannt mich an. Vielleicht sehe ich Reunion nie wieder, vielleicht endet mit dieser Reise mein Leben. Ich denke aber auch an Elisabeth, wie wir uns auf der Insel kennengelernt haben, denke an die Zärtlichkeiten, die wir geteilt haben, so schön und so anders als mit Alina Magdalena. Die wenigen Stunden mit Theresa allein, eine Begegnung der Zärtlichkeit, die keine Chance hatte, sich zu entwickeln. Mich verband mit Elisabeth das Mentale, wir harmonisierten auf magische Weise und von meiner Sklavenseele gab es keine Spur, keine Andeutung ihrer Existenz. Natürlich, man hat nur eine Seele, nicht mehrere. Keine Sklavenseele, die romantische Seele und so weiter, man hat vielleicht mehrere Adern. Meine romantische Ader war mir schon länger bekannt, die Sklavenader war mir neu und durch sie war mächtig viel Blut geflossen. Meine christlich-katholische Sexualmoral sagte mir, dass man sie abklemmen müsse. Ich bin nicht auf dieser Welt, um einen Arsch anzubeten und ihm hörig zu sein. Du sollst keinen Gott neben mir haben, heißt es und schon gar keinen Arsch. Ich war Alina Magdalena in Sünde verfallen. In den finsteren Momenten der Lust wäre ich bereit gewesen, alles zu tun, um ihr zu dienen und sie zu befriedigen. Das ist Sünde! Ich hoffe Elisabeth bringt mich auf den Teppich, die Erinnerung an Romantik und an eine kurze, intensive Liebe, die ohne Beischlaf auskam, obgleich im Nachhinein ich es jetzt bedauere, dass es nicht dazu gekommen ist. Ein Mangel an Gelegenheiten und der Schutz einer behütenden Religion. Wie wird es sein, wenn ich auf sie treffe? Wie werde ich sein, ich, der vor Kurzem ein Tier, falsch, eine niedere Kreatur in sich entdeckt hat? Nein, ich werde sie nicht fressen! Wie wird es sein? Sie ist verheiratet. Glücklich, wie sie immer geschrieben hat. Obgleich ich den Verdacht habe, dass ihr Mann nichts von den Tätigkeiten für den LCL ahnt, aber dem widerspricht nicht, dass sie ihn liebt, dass sie sich lieben. Gibt es bei ihr ein kleines Kästchen in ihrem Inneren, in dem sie ein paar Gefühle von damals, die uns verbanden, aufgehoben hat? Der Flug ging über Paris und nun befinde ich mich irgendwo über der Arktis, die auch nicht mehr das ist, was sie war. Inzwischen gibt es auch Eisbären in der Antarktis; so konnte ihr Überleben gesichert werden. Bei Ankunft in Vancouver wird mich neben der Prohibition ein kräftiger Jetlag nerven. Zwischen Reunion und Vancouver ist fast maximaler Zeitunterschied und eine Reise durchs Innere der Erde Richtung Vancouver wäre erheblich kürzer als die 20000 Kilometer, die ich über die Oberfläche fliegen muss. Dies ist meine zweite Reise in die Staaten. Vor zwanzig Jahren waren die Verhältnisse noch angenehmer. Die Prohibition galt nur in gut der Hälfte der Bundesstaaten, Meinungsfreiheit und Menschenrechte hatten einen höheren Stellenwert und man konnte noch halbwegs von einer Demokratie sprechen. Inzwischen gibt es kein Kanada mehr, die Prohibition gilt überall und das Wahlrecht ist stark eingeschränkt an Bedeutung, zumal auch vor zwanzig Jahren die wenigsten Einfluss darauf hatten, wen man wählen konnte. Die Grenze zu Mexiko ist inzwischen hermetisch abgeriegelt und der große Latinoanteil der amerikanischen Bevölkerung hat praktisch keine Rechte. Sie sind die Nigger des einundzwanzigsten Jahrhunderts, vergleichbar mit der Situation der Schwarzen in der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts und zuvor. Das hat auch Religionsstreitereien zur Folge. Es gibt keine Gleichbehandlung der Konfessionen, geschweige der Religionen in den Staaten. Die amerikanisch-evangelikale Kirche, eine Organisation, die sich vor dreißig Jahren aus den vielen evangelischen, puritanischen, evangelikalen
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