Vanilla High (German Edition)
es geht gut für sie und ihre Familie, hoffe, dass niemand durch die Bombe verletzt wird, denn ich, Arul Ramassamy werde heute Abend dieses Land verlassen und in knapp einem Tag wird ein Knall meinen Besuch abschließen, ein Echo meiner Existenz. Ja Arul Ramassamy war in Vancouver, im Life Center. Wenn Teile der Menschheit keine Notiz davon genommen haben, wenn die hiesigen Sicherheitsbehörden mich vernachlässigt haben, werden sie es spätestens nach dem Knall bereuen. Danach werde ich die Staaten nie mehr besuchen können. Vermutlich werde ich Elisabeth nie mehr wiedersehen und auch nicht Fanny Michelin. Der Traum hat mir gezeigt, dass sie mir noch viel bedeutet. Aber Vorsicht! Vielleicht führt so etwas auch in die Irre. Ich kann nicht glauben, dass ich meine Überzeugungen über Bord werfe, schon gar nicht wegen einer wie Alina Magdalena. Mir macht zu schaffen, dass ich anscheinend das Sakrament der Ehe nicht achte. Ich verstoße gegen das sechste Gebot: im Traum, aber auch in der Realität. Ich bin kein Heiliger. Ich sündige, aber Gott mag mir verzeihen, denn im Großen und Ganzen bleib ich ihm und den Idealen meiner Religion treu. Ich freue mich darauf, am Sonntag in eine katholische Messe gehen zu können, in der schönsten Kirche von St. Denis. Ich werde das mit Alina beichten. War es Sünde, was Elisabeth und ich getan haben? Wir lieben uns. Schon das ist Sünde. Das Personal wünscht mir einen schönen Tag. Ich werde in ein paar Stunden hier auschecken. Eine Sache muss noch erledigt werden. Ich muss mich noch meines konspirativen Spielzeugs entledigen, meinen falschen Identitäten. Ich muss alle Hinweise auf einen Jonathan Smith vernichten, muss das Zeugs entsorgen, mit dem ich meinem Leihwagen eine neue Identität geben könnte. Diese Flucht wäre nie und nimmer gut gelungen, dafür ist meine dunkle tamilische Visage viel zu auffällig. Es gibt sie, diese indischen Gesichter hier in den USA, aber sie sind doch sehr selten. Ich sehe anders aus als ein dunkler Latino, anders als ein Schwarzer. Schon der Besitzer des ersten Motels hätte mich gemeldet. Elisabeth muss das wissen. Dennoch hat sie alles getan, um mir diese Option zu ermöglichen. Ich freue mich auf den ersten Rotwein, den ich trinken darf, aber etwas neugierig und in Erinnerung an all dies hier werde ich mir in Saint Denis eine Flasche Gin kaufen und sie zumindest zur Hälfte leeren. Ich werde mich am Pariser Flughafen besaufen und angetrunken auf den Flug zu meiner Insel warten. Dieser Flug dauert auch sehr lange. Wenn ich nicht schlafe, werde ich trinken. Ich habe einiges nachzuholen. Seltsamerweise sagt meine Kirche dazu nicht viel. So weit ich weiß, ist es direkt keine Sünde sich mit Alkohol zu betrinken, im Gegensatz zum Islam, aber möglicherweise indirekt doch Sünde, weil ich mir in den Stunden des Rausches die Möglichkeit nehme, Gott zu dienen. Aber so ist das eigentlich nicht. Wenn ich ruhig und berauscht abends im Gewürzpark meines Bruders sitze, fühle ich mich oft Gott sehr nahe. Ich fühle seine Existenz. Skeptiker, die Tabok zum Beispiel, könnten einwenden, ich fühle, da war irgendetwas, aber das ist nicht Gott, aber ich bin ziemlich sicher, dass es Gott ist. Hier in den Staaten vermisse ich das Gefühl. Ich verzichte drauf, weiter an meiner Reportage zu arbeiten, jedenfalls habe ich schon mehrfach das Material gesichtet. Es läuft alles nach Plan, ich checke aus, fahre ein letztes Mal eine größere Strecke mit meinem Ford, ein letzter Besuch dieses seltsamen Meeres, an dem ich meine falschen Identitäten vernichte. Gibt es überhaupt Süßwasserhummer, fällt mir ein und wie konnte ich in einem amerikanischen Restaurant die Weinkarte bestellen? Ich habe nicht viel von diesem Land gesehen, nur in der Traumphantasie, schade Amerika, dass du mich bald auf deine Fahndungsliste setzen wirst. Ich hätte gern den St. Lawrence Strom befahren und am blauen Oberen See Süßwasserhummer gegessen.
Flughafen Paris-Orly; ich habe hier längeren Aufenthalt. Längst fliegen nicht mehr so viele Flugzeuge Saint Denise an. Einmal wöchentlich gibt es ein Flug nach Reunion. Unsere Insel hat sich gewisserweise abgeschottet, ihre Geheimnisse sollen behütet bleiben. Tourismus ist unerwünscht, wie reiche Kunden, die sich einer Behandlung unterziehen wollen. Ein Mindestmaß an Kontakt, um die Geschäfte abzuwickeln, eine gewisse Form von Journalismus. Bei uns stehen alle unter dem Generalverdacht, dass sie Spione sind, was bis zu einem
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