Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
fertigmachen zum B/A-Appell! Raustreten in 10 Minuten!“
"Hä?"
„Maskenball!“ fügte der Diensthabende in gemäßigtem Ton hinzu.
Alles wieder ausräumen, in der zum „Seesack“ umfunktionierten Zeltplane nach unten zum Appellplatz tragen, dort ausbreiten, auf die Kommandos warten!
… „Mützen aufnehmen!“
„Mützen vorzeigen!“
„Mützen ablegen!“…
… „Käppis aufnehmen!“
„Käppis vorzeigen!“
„Käppis ablegen!“ …
Wilfried begann zu ahnen, daß der Alltag einer Armee in Friedenszeiten wohl hauptsächlich aus Überflüssigem, Ödnis und Langeweile bestand. Man hätte ja effektiverweise auch Checklisten nutzen können, aber was hätte man dann mit der dadurch gewonnenen Zeit angefangen? Womöglich hätte der eine oder andere Soldat begonnen, sich eigene Gedanken zu machen. Stupide Beschäftigung dagegen verhinderte weitgehend das eigene Nachdenken, und nach einiger Zeit würde man dann Action geradezu herbeisehnen, auch in ihrer extremsten Form, dem Krieg.
„Meine Schwarzkombi ist zu groß!“ wagte einer der Neuankömmlinge einen zaghaften Einspruch, weil er immer noch annahm, der Maskenball diene einem vernünftigen Zweck.
Wilfried erwartete nun den Klassiker: „Hier gibt´s nur eine Größe - paßt!“
Deswegen war er einigermaßen überrascht, als der Vorgesetzte ihm antwortete, zu groß ginge ja durchaus, man möge sich doch bitte nur melden, wenn Uniformteile zu klein seien.
„Zweite Ausbildungskompanie, fertigmachen zum Abendessen! Raustreten in 10 Minuten!“
Man war doch mit dem erneuten Einräumen der Schränke noch längst nicht fertig!?
Als sie schließlich auf dem Flur antraten, ging der Diensthabende die Reihe auf und ab, seine Macht über die Frischlinge genießend.
„Wenn Sie ein Kommando hören, so antworten Sie mit ,Jawohl, Genosse Unteroffizier´! Wenn Sie ein Anliegen haben, so fragen Sie mit ,Genosse Unteroffizier, gestatten Sie, daß ich Sie spreche?´“
So war also der Vorgesetzte mit den silbernen Gurkenschalen auf den Schulterklappen doch nicht bloß ein Soldat in einem höheren Diensthalbjahr, sondern Unteroffizier! Nach allem, was Wilfried gehört hatte, besaßen jene eine schier unermeßliche Macht. Man durfte um Himmels Willen nicht auffallen, weder positiv und negativ schon gar nicht.
Für das Abendessen waren 20 Minuten vorgesehen. „Da mußte man ja schlingen, wenn man nicht hungrig vom Tisch aufstehen wollte,“ dachte Wilfried. Daß jene 20 Minuten aber keineswegs die Essenszeit waren, die man den Soldaten zubilligte, erfuhr Wilfried schon am ersten Abend auf brutale Weise. Kaum hatte er als einer der letzten seine karge Ration in Empfang genommen, hieß es: „Erste Reihe auf!“ Fünf Sekunden später: „Zweite Reihe auf!“
Wilfried hatte noch nicht einmal Platz genommen, da waren die 20 Minuten, die für die Kompanie von ca. 250 Soldaten vorgesehen waren, bereits um. Stumm vor Entsetzen und willenlos trat er vor dem Speisesaal an, um in Marschordnung zurück in die Unterkunft geführt zu werden. Sich etwa selbständig zum Speisesaal zu begeben - völlig ausgeschlossen!
„Wir sind hier das Ingenieurbauregiment-12 und bauen militärische Objekte. Ihr werdet nach der Grundausbildung alle ein Fahrzeug übernehmen und auf die Baustellen kommandiert. Einmal im Halbjahr kommen alle von den Baustellen rein und machen militärische Ausbildung, also das, was die Mot. - Schützen im Muckerbus und die Panzerluden ständig haben. Könnt ihr froh sein, daß ihr nicht im Dreck buddelt. Unter euch die A I, das werden alles bloß Bausauen!“
Unteroffizier Vogel, als Gruppenführer zuständig für die Soldaten in Wilfrieds Stube, war der einzige an diesem ersten und längsten Tag, der mit einigen Hintergrundinformationen rausrückte.
Wilfried kannte bereits das Prinzip - das, was wichtig war, erfuhr man in der DDR mündlich und nebenbei.
„Wieso ,12´?“ fragte einer von ihnen. „Gibt es noch 11 andere Regimenter?“
„Das ist alles ,VS´ - Verschlußsache,“ tat Vogel geheimnisvoll.
„Ihr habt jetzt 6 Wochen Grundausbildung, danach werdet ihr auf die Kompanien mit Fahrzeugen aufgeteilt, die Technische Ingenieurbaukompanie, die Instandsetzungskompanie, die Transportkompanie und die Stabskompanie. In den ersten drei Wochen habt ihr die allgemeine militärische Ausbildung, kennt ihr bestimmt schon von der vormilitärischen Ausbildung, dann kommt die Spezialausbildung mit den Fahrzeugen, Typenschulung, Werkstatt,
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