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Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
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Würde es ihm möglich sein, einen Rest Niveau und bürgerlichen guten Benehmens zu bewahren? Oder würde er sehr schnell dem typischen Gassen - und Armeejargon verfallen? Unsagbar schwer drückten ihn die noch verbleibenden 543 Tage bis zur Entlassung. Alle hatten sie vor der Einberufung diese Tageszahl ausgerechnet und im Kopf.
    Wilfried hatte sich mit einer 500er Großpackung Summavit forte, dem DDR-Multivitaminpräparat, ausgerüstet, in der Annahme, mit schlechter Ernährung bei der NVA zurechtkommen zu müssen. Wenn nur die Packung schon leer wäre!
    Bereits an diesem allerersten Tag hatte sich das Gefühl des „Tagedrückens“ eingestellt, eine völlig neue Erfahrung für Wilfried. Alles mit nicht vorhandener Motivation tun zu müssen, war unsäglich schwer, aber Wilfried wußte bereits, daß er dies durchhalten würde, bis zum letzten Tag. Keinen einzigen Handschlag mehr als nötig sollten sie von ihm bekommen!
    -
    Am Elbstrand von Torgau ein Volksarmist stand
    der Blick auf die Knarre, gestützt in den Sand.
    „Was hab´ ich verbrochen, was hab´ ich getan,
    daß ich in die Einöde bei Torgau kam?“
    -
    „Kennst du das Land, wo die Sonne nie lacht,
    wo man aus Menschen Idioten macht,
    wo man statt Kohle Sand verbrennt,
    und wo man im Laufschritt zum Fressen rennt?“
    -
    Von Nutten geliebt, von Jungfern gehaßt,
    das Geld versoffen, verhurt und verpraßt;
    hier verlor ich Anstand und Tugend -
    Torgau, das Grab meiner Jugend!
    -
    Am Elbstrand von Torgau ein Volksarmist stand
    und hielt seinen Koffer verkrampft in der Hand.
    Er grüßt keinen Hauptmann, keinen Feldwebel mehr
    Die Losung heißt „Heimat“, und niemals mehr her!
    -
    (subversives Armeegedicht, kursierend bei der NVA, wahlweise mit verschiedenen Standorten zum Einsetzen, Verfasser aus guten Gründen unbekannt, auch dem Autor)
    -
    7. Grundausbildung
    „Kompanie, Nachtruhe beenden! Fertigmachen zum Frühsport! Raustreten in 3 Minuten!“
    „Im Laufschritt die Treppe runter und unten antreten!“ brüllte es genau 180 Sekunden später.
    „Los, nehmt den Finger aus ´m Arsch, wir sind hier nicht im persischen Männerpuff! Im Laufschritt is´ der Arsch der höchste Punkt und die Beine eine rotierende Scheibe!“
    Wilfried hätte den Unteroffizier zu gern auf den Grammatikfehler hingewiesen.

    Der da jetzt nuschelnd brüllte war einer von den Unangenehmeren. Es gab nur wenige von ihnen, aber sie genügten, um der ganzen Kompanie gründlich den Tag zu verderben.
    Die Grundausbildung war ihre große Zeit.
    Wollte einer von ihnen kommandieren, so kommandierte er.
    Wollte einer Glanz auf dem Flur, so ließ er kehren, wischen, keulen.
    Wollte einer am Sonntagnachmittag Schutzausbildung durchführen, so tat er es.
    Paßte es einem von ihnen nicht, daß ein Soldat in der Morgenkälte die Hände in den Hosentaschen zu wärmen suchte - die meisten Hosen mit neuem Schnitt hatten ohnehin keine mehr - so ließ er die Taschen zunähen.
    Kurzum, wollte einer schikanieren, so schikanierte er.
    Man hatte als Soldat in diesem Stadium noch nichts entgegenzusetzen.
    Zu den beliebtesten Schikanen gehörten stets die Grenzüberschreitungen. Die Kontrolle des Rasierpinsels oder des Schneidkopfes vom Rasierapparat zählten dabei noch zu den harmloseren ihrer Art.
    Wilfried brauchte lange, um zu begreifen, daß es nicht etwa um Hygiene ging, sondern eben nur um Machtdemonstration, um zu zeigen, daß die Armee den Soldaten völlig absorbieren würde, ihm keinerlei Privatraum ließ, es sei denn, man nahm sich ihn, sich dabei besonders clever dünkend. Wilfrieds Wunsch hingegen wäre es gewesen, dergleichen nicht nötig haben zu müssen.
    Er sollte später erleben, wie ohne zu zögern sogar die Schließfächer für persönliche Gegenstände von den Offizieren aufgebrochen wurden, um die darin liegenden Briefe in Abwesenheit des betreffenden Soldaten zu lesen.
    Im Moment aber konnte er noch nicht begreifen, weshalb strengstens auf geschrubbte Kragenbinden und glänzende Stiefel geachtet wurde, während von Körper und Uniform der Dreck bröckelte, vom Zahnbelag ganz zu schweigen.
     
    Das Problem der vollen Harnblase beim Frühsport war das gleiche wie im GST - Lager, nur daß hier für viel mehr Männer noch weniger Toiletten zur Verfügung standen.
    Wie Wilfried bereits am Vortage bemerkt hatte, würde es im Objekt kaum eine Möglichkeit geben, ungesehen das Wasser abzuschlagen, täte er es im Freien unter den Augen der anderen gäbe es todsicher riesigen Ärger!
    Das

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