Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
einer Übung etliche Maskentaschen ohne besagten Knopf sah, wußte er, warum.
Querer schnitt das Weißblech mit der Nagelschere in zwei Scheiben von je zwei Zentimeter Durchmesser, brachte jeweils ein kleines Loch am Rand der Scheibe für den Draht an und machte in die Mitte große Löcher, durch die man den Knopf stecken konnte, der die Scheiben fixierte und auf Abstand hielt.
„Der Widerstand ist so groß, daß es im Wasser keinen Kurzschluß gibt,“ behauptete er.
„Es darf aber kein Kaffee im Becher sein. Mit dem Draht kann man auch Bockwurst warmmachen.“
Querer ließ sich einen Becher Wasser geben, tauchte das Ufo hinein und steckte die Drahtenden in die Steckdose. Tatsächlich, nach wenigen Sekunden siedete das Wasser.
„Der nächste bitte!“ rief er triumphierend.
„Kaffee mit Satz und ohne Filter ist also die türkische Art.“ Wilfried verzichtete lieber.
***
Ein unangenehmes Jucken und Brennen zwischen den Zehen ließ Wilfried schon nach kurzer Zeit zur Erkenntnis gelangen, er habe wohl Fußpilz. Kein Wunder bei den viel zu warmen Wollsocken, Gemeinschaftswaschräumen und gebrauchten Stiefeln, obwohl letztere angeblich vor der erneuten Ausgabe mit Formalin desinfiziert worden waren.
Zur Konsultation des Regimentsarztes mußte man sich am Vorabend ins beim UvD ausliegende Krankenbuch eintragen, durfte dann am nächsten Morgen statt zum Frühsport sich in den Med. - Punkt begeben.
Nun stand Wilfried in langer Schlange in der Reihe der Wartenden. Vielen sah man auf den ersten Blick an, daß sie Simulanten waren, irgendeinen Krankheitsgewinn erhoffend.
Wilfried überlegte einen Moment, welche Krankheit er sich zulegen könnte, verwarf aber den Gedanken alsbald. Der Übergang zwischen selbstbestimmter Simulation und daraus resultierender psychosomatischer Erkrankung war fließend, die Rutschbahn dorthin abschüssig und glatt.
Lieber blieb er gesund, auch wenn Schwejk anderes empfahl.
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Sprechstunde beim Truppenarzte,
Salicyl kommt auf die Warze;
auch die Hämorrhoide klein
will fein eingepinselt sein.
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Der Soldat zieht einen Flunsch:
„Ha´m Se etwa noch ´nen Wunsch?“
„Nein!“ „Dann weggetreten, zack!“
Schon der nächste macht sich nackt.
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Gegen seine Hämorrhoiden
wird auch Einpinseln verschrieben;
dann er wieder an sich zieht,
fix, und marsch zurück ins Glied!
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„Was fehlt Ihnen denn, mein Lieber?“
„Habe ziemlich hohes Fieber,
und der Hals, er schmerzt gar sehr,
selbst Innendienst wird mir zu schwer!“
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„Pinseln werden wir den Rachen,
dem Infekt den Garaus machen.“
Der Soldat zieht einen Flunsch.
„Was denn, noch ein Sonderwunsch?“
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Und die heisere Stimme spricht:
„Gepinselt werden will ich nicht!
Ich bin ja als letzter dran,
hab´ geseh´n, wer vor mir kam!“
***
Bereits am zweiten Tage ihres Dienstes bei der NVA waren sie ausgegeben worden - kleine Handbücher, ein Exemplar für jede Gruppe, natürlich mit dem bei der NVA obligatorischen Vermerk „Nur für den Dienstgebrauch“ versehen, die neben Auszügen aus diversen Dienstvorschriften eine Beschreibung der soldatisch - sozialistischen Tugenden enthielten, nach denen man befehlsgemäß zu streben hatte.
Wilfried fiel auf, daß jener Stempel eine nicht zu unterschätzende Integrationskraft besaß, weit mehr, als die im Buch geforderte sozialistische Tugendhaftigkeit, die sehr wahrscheinlich nicht einmal für sozialistische Heilige erreichbar war. Der Stempel aber signalisierte, daß man als Leser des Buches zu den Auserwählten gehören durfte, denen nun Informationen zugänglich waren, die Außenstehenden verschlossen bleiben mußten.
Beim Weiterlesen aber tauchte die ultimative Forderung auf, das Gewehr müsse die Braut des Soldaten sein. Hingabe sei dem Soldaten allein zur Aufgabe der Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes gestattet.
Man verlangte allen Ernstes von ihnen nichts weniger als platonische Liebe zu einem ominösen Konstrukt, wozu das Schießgewehr als Krückstock zu dienen hatte, mit dem man ohne zu zögern auf Befehl auf den Feind, sprich Bundeswehrsoldaten, zu schießen hätte.
Sollte irgendein Leidensgefährte Wilfrieds zu derartigen Empfindungen tatsächlich fähig sein? Jeder Fetischist wäre vor Neid erblaßt!
Doch es ging noch weiter: „Die Forderung nach Ästhetik in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft erfüllt in hohem Maße auch der militärische Dienst. Die Gefühle, welche der Soldat beispielsweise beim Anblick einer mit
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