Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)

Titel: Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffen Duck
Vom Netzwerk:
unter stärkerer künstlicher Beleuchtung.
    Schellenberg hätte bei Notwendigkeit nicht die geringste Hemmung gehabt, mit Hilfe seiner Brille das trockene Gras der Pampa zu entzünden zwecks Erzeugung einer Feuersbrunst, um den Feind abzuwehren, so war sich Wilfried sicher.
    Alle seine kommunikativen Signale, waren sie in der Form eines Befehls, Gesprächs, Monologes, ja sogar rein nonverbale, kamen beim Empfänger so an, daß mit den Worten und Gesten zugleich das Gegenteil der gemachten Aussage kolportiert wurde. Anscheinend hatte er seinen Schwejk noch gründlicher gelesen, als Wilfried, und nicht nur das, er hatte ihn sogar verstanden! Schellenberg ähnelte nicht Schwejk, kein Zweifel, er war es!

    „Ist jemand von Ihnen nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis Klasse 5?“
    Turner blickte in die Runde. Niemand meldete sich.
    Wilfried hatte schon festgestellt, daß die meisten Neuankömmlinge für NVA-Verhältnisse zu den Späteinberufenen gehörten, viele hatten bereits Familie. Denen mußte der Abschied noch ungleich schwerer gefallen sein, als ihm.
    Man nutzte anscheinend deren bereits vorhandene berufliche Qualifikation für die Arbeit auf den Baustellen. Nur selten besaß man wie Wilfried die Fahrerlaubnis Klasse 5 bereits im Alter von 18 oder 19 Jahren. Viele hatten diese erst im Zuge ihrer Berufsausbildung erworben - natürlich nicht auf eigene Kosten, so wie Wilfried.
    Geld hatte bei Wilfrieds Eltern ohnehin nie an erster Stelle gestanden, daher war Wilfried einigermaßen erstaunt, als er erfuhr, daß es auch in der Mangelwirtschaft nicht wenige Menschen gab, die den Pfennig umdrehen mußten, insbesondere Familien.
    „Klar, daß es unter all denen keine Abiturienten gibt,“ gelangte er zur Erkenntnis.
    „Das also ist sie nun, die Arbeiterklasse, die angeblich die Macht im Staate besaß.“

    „Sie alle erhalten nun das Einsatzbuch eines Fahrzeuges. Darin befindet sich ein Brief vom Vorgänger, der Ihnen darin die Besonderheiten aufgeschrieben hat, die man bei der Bedienung wissen muß. Die Gruppenführer zeigen Ihnen dann im Park den Stellplatz. Bitte verwechseln Sie diese Aufteilung nicht mit der Einsatzplanung für Ihre Aufgaben nach der Grundausbildung. Hier geht es nur darum, daß im „E“ - Fall jedes Fahrzeug einen Fahrer hat, der mit diesem dann irgendwie zum Tor hinauskommt.“
    Wilfried fiel der doppelte Euphemismus des Wortes „E - Fall“ sofort auf: Das Wort „Ernstfall“ sollte vermieden werden, um selbigen nicht etwa heraufzubeschwören, jenes Wort aber umschrieb auch nur beschönigend das Wort, welches niemand, ihn eingeschlossen, sich auszusprechen getraute: „Kriegsausbruch“.

    Nun war Gelegenheit, die Soldaten seines Zuges einzeln in Augenschein zu nehmen - und Wilfried erschrak ein um das andere Mal:
    „Soldat Häbert! Das Fahrtenbuch für die Kras-Zugmaschine Nr. 844 mit Tieflader Nr. 363!“
    Häbert, ein anorektisches Männlein, trat vor, um den blauen Plastikumschlag entgegenzunehmen.
    Das zu seiner Wespentaille hochgerutschte Koppel legte die graue Uniformjacke in Falten, die Hose schlotterte um die dünnen Beine. Ein Frontzahn fehlte ihm, derjenige neben der Lücke hatte einen riesigen Defekt.
    Als Wilfried später beim allwöchentlichen Duschen seinen ausgezehrten Körper nackt betrachten konnte, fiel ihm eine Wölbung unter den einzeln abzählbaren Rippen auf - die vergrößerte Leber. Kein Zweifel, Rippchen, wie er später von den anderen genannt wurde, war schwerer Alkoholiker.
    Alkoholiker war sicherlich auch Knecht, ein Treckerfahrer im zivilen Leben.
    Knecht vermochte es nicht, seinen Kopf gerade zu halten, meistens blickte er schräg nach oben in den Himmel, was vermutlich die Folge seines Silberblickes war.
    Wilfried wunderte sich, wie er ohne räumliches Sehvermögen überhaupt zu einer Fahrerlaubnis gekommen war.
    Ihm selbst wäre um ein Haar seine Kurzsichtigkeit zum unüberwindbaren Hindernis geworden, obwohl seine Brille diese zu 100% korrigierte.

    „Soldat Niebold! Ihr Fahrtenbuch für den W 50 - Kipper 979!“
    Um Turners Züge spielte ein unmerkliches Grinsen. War es wegen der Statur Niebolds oder wegen des im ganzen Regiment berüchtigten Kippers?
    Wie Wilfried bald feststellen sollte, war „979“ sogar zum Schimpfwort geworden.
    Niebold, anscheinend nur wenig über einen Meter groß, konnte mit Fug und Recht als Zwerg bezeichnet werden, allerdings als Kraftzwerg. Seine voluminösen Oberarme ließen unter den Uniformärmeln riesige Muskelpakete

Weitere Kostenlose Bücher