Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
Meditieren tatsächlich möglich wäre, überstieg natürlich den Horizont jener Witzemacher.
Turner aber hatte anscheinend im Hintergrund die Weichen dennoch Wilfrieds Wunsch gemäß gestellt.
Am Abend machte Wilfried Bekanntschaft mit Türkischem Kaffee. Nach dem Einrücken in die Unterkünfte, dem Stuben - und Revierreinigen, dem Stehbankett im Speisesaal und der Befriedigung des seltsamerweise allen gleichzeitig erwachsenen Bedürfnisses, einen Brief nach Hause schreiben zu wollen, gelüstete es Kutscher nach einem Kaffee. Höflich fragte er alle aus der Stube, ob sie auch mochten, verfüge er doch über ein Päckchen echten Rondo -Kaffees, bereits gemahlen. Um die Glaubwürdigkeit seines Angebotes zu bekräftigen, zeigte er die Packung herum. Mißtrauisch schnüffelte Bogler daran: „Ewalds Krönung ist es nicht,“ verkündete er schließlich.
Kaffee - Mix, jenes seltsame Gebräu mit dem noch seltsameren Aroma, gemäß Aufdruck ein Gemisch aus echtem Bohnenkaffee und erlesenen Kafeesurrogaten - damit konnten ja auch erlesene Sägespäne gemeint sein - wurde von jedermann gemieden und war deshalb ein überall erhältliches Produkt in der allgemeinen Mangelwirtschaft.
Kutscher gab allen, die ihm ihren blauen Plastikbecher mit Henkel hinhielten, zwei gehäufte Kaffeelöffel hinein.
„Wo bekommen wir heißes Wasser?“ fragte er treuherzig den Gruppenführer Vogel, der soeben die Stube betreten hatte.
„Ihr könnt einen Antrag auf Benutzung eines Wasserkochers stellen,“ antwortete dieser mit hämischen Grinsen. „Beim ersten Urlaub kann einer von Euch einen mitbringen. Tauchsieder sind bei der Armee jedenfalls verboten wegen Kurzschluß - und Brandgefahr.“
Alle wußten, daß es während der Grundausbildung allenfalls in dringenden Familienangelegenheiten Urlaub geben würde.
„Gibt es denn nirgendwo eine Kochplatte und einen Topf?“ fragte Kutscher verzweifelt weiter.
Wilfried betrachtete ihn genauer. Kutscher hatte ein totenblasses, fürchterlich faltiges Gesicht, tiefe Augenhöhlen, aus denen die Augäpfel wie Bälle hervorragten. Hätten sie dies nicht getan, wäre durch die knöcherne Begrenzung der Augenhöhlen vermutlich das Gesichtsfeld zu arg eingeschränkt gewesen. Die Knochenwülste in Höhe der Augenbrauen ließen vermuten, daß sich in seiner Ahnenreihe wohl mehrere Neandertaler befanden.
Anscheinend konnte Kutscher nach Art eines Chamäleons mit beiden Augen unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen blicken.
Rasch hatte sich für dieses Phänomen die Bezeichnung „Gefechtsauge“ festgesetzt, mit welchem er unablässig über den Nahrungsresten am Eßtisch kreiste, während das andere Auge achtgab, daß er sich mit dem Messer nicht in den Finger schnitt.
„Diese Fähigkeit würde ihm auch im zivilen Leben sehr nützlich sein,“ überlegte Wilfried.
„Am Buffet im FDGB - Ferienheim die Salami fixieren, um dann auf den Hummer herabzustoßen, falls es den da überhaupt geben sollte.“
Mit der Intelligenz schien es bei Kutscher etwas zu hapern.
„Tiefbauteilfacharbeiter“ gab er unter „Erlernter Beruf“ an, als man den Soldaten Fragebögen vorlegte.
Kutscher aber mangelte es nicht nur an Abstraktionsvermögen, dessen Fehlen bei der Armee keineswegs hinderlich war, er dachte quälend langsam und ließ auch die dringend benötigte Pfiffigkeit vermissen, auf die es im Gegensatz zu Wilfrieds geistigen Höhenflügen bei der NVA besonders ankam. Zu allem Überfluß war er auch noch gutmütig und damit verletzlich. Einfach gesagt, Kutscher war treudoof.
Einmal schüttete er Wilfried sein Herz aus, gab dabei soviel von sich preis, daß selbst Wilfried sich des Gedankens kaum erwehren konnte, jetzt müßte man ihn doch mal damit aufziehen.
Er unterließ es natürlich, da er ahnte, wie bitter dies Kutscher ankommen würde.
Nun wollte er sich Kaffee brühen.
Hätte allein er diesen Wunsch gehabt, wäre ihm niemand beigesprungen, so aber begann man, kreativ zu werden.
„Mein Kumpel hat mir mal erzählt, wie man ein Ufo baut,“ raunte Querer verschwörerisch, als Vogel endlich wieder weg war.
„Wir brauchen dazu einen Plastikknopf von der Gasmaskentasche, eine Schere, isolierten Draht und etwas Weißblech, zum Beispiel von einer Büchse für Antibeschlagfolien für die Gasmaske.“
Die benötigten Utensilien ließen sich leicht auftreiben. Kutscher mußte den Knopf seiner Maskentasche opfern, die daraufhin nicht mehr verschließbar war.
Als Wilfried später bei
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