Variante Krieg oder Der Untergang des DDR - Planeten (German Edition)
atomaren Sprengköpfen bestückten Rakete, jener mächtigen Waffe zur Verteidigung des Kommunismus hegt, übertreffen alle Empfindungen, zu denen man in den übrigen gesellschaftlichen Bereichen fähig sein kann …
Ein Krieg zur Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes ist schön …“
Wilfried legte das Buch zurück auf den Gemeinschaftstisch, holte mehrfach tief Luft und schlich auf leisen Sohlen aus der Stube zur Toilette. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Übelkeit so zu kontrollieren, daß er nicht erbrach.
Leichenblaß trat er auf den Flur hinaus, als ihm Schellenberg entgegenkam.
„Na, unser guter Kasernenfraß bekommt Ihnen wohl nicht?“ fragte er schnodderig.
Wilfried wußte nicht, was er antworten sollte und Schellenberg ließ ihn stehen.
Als Wilfried zurückkam, waren die anderen gerade dabei, die Dienstgrade der NVA zu lernen-allein zu diesem Zweck hatte man die Bücher verteilt. Ihn amüsierte ein wenig, wie schwer sie sich dabei taten; Gruppenführer Vogel fragte sie anschließend mit wichtiger Mine einzeln ab. Wilfried hoffte, daß der Kelch dieser Peinlichkeit an ihm vorüberzöge. Ihm war augenblicklich noch nicht danach, sich dumm zu stellen, um nicht wieder aufzufallen, wie bei Fähnrich Fritzsch. Statt dessen hörte er einen Pfiff auf dem Flur: „Soldat Montag zu Unteroffizier Schellenberg!“
Jetzt war er dran!
Mit schlotternden Knien klopfte Wilfried an der Stube der Unteroffiziere an.
„Setzen Sie sich!“ sprach Schellenberg bemüht gönnerhaft. Zaghaft gehorchte Wilfried.
„Ich glaube, Sie schätzen hier so manches falsch ein!“
„Jawohl!“ antwortete Wilfried, bemüht, den gehorsamen Schwejk zu geben.
„Nicht ,jawohl´, sondern ,ja´!“
„Jawohl, Genosse Unteroffizier!“
Ihberg, der zugegen war, mischte sich ein: „Du mußt schon dazu sagen, ob du ein dienstliches oder persönliches Gespräch führst!“
Jetzt war Wilfried vollends verwirrt, wußte nicht mehr, was er von all dem halten sollte.
An Wilfried gerichtet, fragte Schellenberg: „Weißt Du, wie ein Schwein macht, wenn es gegen eine Mauer rennt?“
„Nein, Genosse Unteroffizier!“
„Uffz!“
Wilfried mußte schmunzeln.
„Früher oder später lernst du Legolla kennen, Oberleutnant Legolla. Der ist ein bißchen plemplem, wenn du weißt, was ich meine. Wenn dem etwas zu viel wird, und das kommt häufig vor, sagt er immer, man dürfe sich das alles nicht so zu Herzen nehmen, sonst gingen wir alle miteinander krachen.“
Schellenberg schwieg einen Moment.
„Könnte es nicht sein, daß er recht hat?“ fügte er schließlich hinzu.
„Jaw…!“
„Also, nichts für ungut!“
Schellenberg reichte Wilfried die Hand.
-
8. Der Brief
Christine Belaris war das Mädchen, welches jenen November zum besten Monat in Wilfrieds Leben hatte werden lassen - allerdings nicht den November des Jahres 1981, den er gerade bei der NVA zubrachte, sondern den des Jahres 1978.
Schlank war sie, blond mit blaugrauen Augen und schulterlangem Haar, welches an den Spitzen zu Locken gedreht war. Einige Sommersprossen betonten als natürliches Make - up ihre niedlich - keck wohlgeformte Stupsnase. Meistens trug sie ein enganliegendes schwarzes Shirt.
Zurückhaltende Eleganz und mädchenhafte Unbestimmtheit ergänzten sich zu vollendeter Harmonie und machten aus ihr ein Wesen, dessen Engelhaftigkeit Wilfried schier um den Verstand brachte, sobald er nur in ihrer Nähe war.
Was die Fahrschule doch an Überraschungen bereithalten konnte - nicht die für den Lkw, sondern die für Kleinkrafträder.
Ganz plötzlich war das Leben wunderschön.
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„Mädchen, ich weiß ganz genau,
hab´ Dich schon einmal gesehen;
ich in Deine Augen schau,
möchte so gern mit Dir gehen!
-
Dein Antlitz einem Engel gleicht,
ja, es kann nur Liebe sein,
die bis ans Weltenende reicht;
bitte, bitte, werde mein!“
-
„Weiß nicht, ob ich ´s möchte werden,
bin doch grad erst 15 Jahr´.
Niemals Jungs bisher mich scherten,
ob blond oder mit schwarzem Haar.“
-
„Hand in Hand durchs schöne Leben,
Zusammensein für alle Zeit,
kann es etwas bess´res geben?
Mit dir bin ich dazu bereit!“
-
„Nicht gar so stürmisch, junger Mann,
fangen wir doch langsam an;
können mal zum Tanze gehen,
und danach wir weitersehen!“
-
Wie es sich geziemte, brachte Wilfried sie nach der Disco nach Hause.
Geziemte es sich nicht auch, sich mit einem Kuß zu verabschieden? Wilfried aber wartete vergebens.
Hätte er versuchen sollen,
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