Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Saarmann
Vom Netzwerk:
fliegen. Und obwohl ich diese Geschichte schon kannte und ich sie außerdem loswerden wollte, blühte so etwas wie Eifersucht in mir auf, was natürlich ihr Ziel gewesen war.
    Sie zierte sich lange und rächte sich damit für mein Desinteresse in der Vergangenheit. Nach und nach rückte sie dann mit gerade so vielen Einzelheiten heraus, dass mir ein lesbisches Abenteuer die vernünftigste Auslegung zu sein schien. Nichts dagegen, zwei Frauen können schon ein schönes Bild abgeben. Aber ihr Getue ging mir auf die Nerven, reizte mich und machte mich zum Glück auch wütend. Aus dieser Stimmung heraus beendete ich dann bald den Abend und überließ sie ihren Muschelbändchen-Erinnerungen. Einige Tage später, als die Gespräche immer unmöglicher wurden und sie – hilflos, wie sie war – immer mehr auf ihrem Abenteuer herumritt, fuhr ich sie eines Abends nach Hause und gab ihr zu verstehen, dass es das letzte Mal war. Irgend so eine kurze Schlußsentenz wie: „Das war es jetzt. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute.“
    Sie wollte nicht aufgeben, fragte nach Gründen. „Die bin ich dir nicht mehr schuldig.“ Und ich fuhr ab. Zu Hause klingelte das Telefon. Ich ließ es eine Weile klingeln, dann hob ich ab und erklärte ihr, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, mich aufzugeben. Ich sei einfach zu schwierig und grundsätzlich nicht in der Lage, mit Frauen richtig umzugehen. Ich würde ihr ihre Entscheidung auch nicht übelnehmen. Wir könnten ja Freunde bleiben. Komisch, aber das schluckte sie. Sie betonte, sie hätte mir nicht wehtun wollen, und fragte, was ich am nächsten Tag vorhatte. Sie war so lieb, dass es schon schmerzte und ich mich fragte, warum ich mit so einem gutartigen Menschen nicht auskommen konnte. Ich sah sie nie wieder.
    Sie rief mich noch einige Male an, aber ich schützte Arbeit vor oder ließ die Sekretärin drangehen: Besprechung. So können wir wenigstens hin und wieder an die zauberhafte Nacht in Afrika zurückdenken, ohne mit der aktuellen Wirklichkeit zusammenzustoßen. Es ging einfach darum, rechtzeitig abzuhauen und niemals wiederzukommen. Ich weiß nicht, ob es dir auch so geht. An fast jeder Frau kann man etwas entdecken, das man unbedingt haben will. Ich war mal zu einem Interview in Zürich. Die Vorstandsdame, mit der ich zu tun hatte, lud mich abends noch zum Essen ein. Sie war wirklich alles andere als hübsch. Vielleicht kannst du dir einen fünfzigjährigen weiblichen Frosch vorstellen. Aber ich vergaffte mich während des Essens in ihre Brüste und wäre dafür, sie unbekleidet zu sehen und anzufassen, auf der Stelle freiwillig tot umgefallen. Diese Gelegenheit ließ ich glücklicherweise verstreichen.
    Aber was ich sagen wollte: Eine Weile waren es vor allem Sarahs Brüste, die ich unbedingt haben musste. Verstehst du das? Na gut, gehen wir. Du wirst ja jetzt wieder einiges auszustehen haben, oder? Mach’s gut. Bis zum nächsten Mal!
     

7. PREDIGT
     
     
    Es regnete zwar, als wollte Gott den Ararat erneut unter Wasser setzen, aber er hatte keine Wahl. Seine Nächstenliebe duldete keinen Aufschub. Zum Schutz vor dem Regen hatte er anstelle eines der unzähligen, in seiner Diele schüchtern ihre Dienste anbietenden Damenschirme das knitterige Plastikcape ausgewählt, das er zusammen mit einem rostigen Anker-Damenfahrrad mit brüchigen, vom Atem der Zeiten leergesaugten Weißwandreifen, dem Kleiderschrank mit gestärkter Bettwäsche und mehreren rüschenbesetzten Nachthemden aus der Zeit vor der Jahrhundertwende von seiner Großmutter geerbt hatte. Dieser Aufzug sah zwar nicht besonders hip aus, tat aber seinen Dienst und behinderte ihn nicht.
    Auf dem Kopf trug er eher unwillig eine dieser Kappen, die vor allem Damen mittleren Alters mit erstaunlich blonden Haaren, höfliche Kinder im Harlem-Look und ältere, gehbehinderte Sportwagenfahrer zu schätzen schienen. Auf dunkelblauem Grund stand über seiner Stirn in weißen Lettern: FrohMed. Verbarg sich hinter diesem Namen nun ein Aphrodisiakum für gestresste Mediziner oder ein chemischer Aufheller für depressive Patienten? Die Kappe war ein Geschenk des Apothekers um die Ecke, bei dem er zu diesem Anlass eine Schachtel Aspirin für eine junge Frau erworben hatte, die sich zum gleichen Zeitpunkt bleich, verkatert und übernächtigt in seinem Bett wand.
    Er trat auf den Gehsteig vor seinem Haus und setzte sich der sanften und unerfreulich kühlen Massage des tropfenden Himmels aus. Schon beim sechsten Schritt,

Weitere Kostenlose Bücher