Variationen zu Emily
unerwartet ein wenig Wehmut auf. Schade eigentlich, war eine ihrer stehenden Redewendungen. Ja, schade eigentlich. Einen Tag hätten wir ruhig noch miteinander verbringen können. Dann kam das Bad im Pool, der Anblick anderer, auch ganz nett aussehender Frauen, der Aperitif und das Abendessen, und ich fühlte mich frei und stark.
Als ich mich nach dem Abendessen wieder an meine Arbeit machte, kam plötzlich ein Kellner an meinen Tisch: „There is a call for you, Sir. From Europe!“ Sarah rief mich von zu Hause aus an: Sie wäre fast direkt nach der Ankunft wieder in eine Maschine nach Afrika gestiegen. Sagte sie. Es wäre so schön gewesen! Ja, sagte ich, ich hätte sie auch schon ein wenig vermisst. Und sie rang mir das Versprechen ab, dass wir uns auch zu Hause mal sehen würden.
Sie kam nicht, und ich hätte sie dort auch nicht brauchen können. Aber als ich dann wieder im winterkalten Deutschland war, fand ich einen Brief in meinem Briefkasten und mehrere Anrufe auf meinem Anrufbeantworter. Was in dem Brief stand, brauche ich dir nicht zu sagen. Auf dem Band hinterließ sie ihre Adresse, ihre Telefonnummer, ihren Reiseplan und die dringende Bitte, sie anzurufen. Was ich dann auch tat. Ich weiß nicht, warum, aber ihre junge Stimme, die Erinnerung an die schöne Nacht, der Wunsch, diese Brüste noch einmal zu liebkosen, und mein mich immer wieder in die Irre führendes Verantwortungsgefühl bewogen mich dazu, etwas fortzusetzen, das eigentlich schon vorbei war.
Sie reiste viel, ich hatte viel zu tun und ausufernde Arbeitszeiten, was sie gar nicht begreifen konnte, und so redeten wir häufig nur über den Anrufbeantworter oder mittels Briefen miteinander. Ein letztes noch? Darf ich dich auch noch mal um eine Zigarette bitten? Danke. Oh, danke, Andrea, das ist aber unser letztes. Wir zahlen dann gleich. Ich übernehme, lass stecken! Du, da sitzt ja wieder dieser Typ und schreibt. Na der, der neulich auch schon hier war – da hinten in der Nische. Ein Schriftsteller? Meinst Du? Sehen die jetzt so aus und schreiben in Schulhefte?
Na meinetwegen. Die Kommunikation über derartig armselige Vehikel war natürlich ohnehin keine Basis für ein gedeihliches Miteinanderauskommen. Wir erwarben nie die Fähigkeit, uns in den jeweils anderen hineinzuversetzen. Wenigstens von mir hätte ich mehr erwartet – schließlich bin ich einigermaßen intelligent. Wir trafen uns hin und wieder, gingen in Kneipen, in denen ich mich sonst nie sehen lasse, und verbrachten ein paar Nächte miteinander: mal bei ihr, mal bei mir. Aber unser Zusammensein war, ehrlich gesagt, öde. Wenn wir zusammen Essen gingen, machte mi ch ihre Anwesenheit so müde, dass ich gar nicht in der Lage war, mich mit ihren Gedanken zu beschäftigen. Sie litt an mir, an meinem Desinteresse, an meiner Müdigkeit. Wenn wir dann zusammen im Bett lagen, wollte ich meistens nur noch einschlafen – meine Wünsche waren schon in Afrika erfüllt worden, was wollte sie also noch bei mir?
Dazu kam, dass sie schnarchte. Ich weiß nicht, wie das bei dir ist. Ich stelle mir meine Freundinnen immer als etwas sehr Ätherisches vor. Zu so einem Bild passt dieses Röcheln und Sägen ungefähr so wie ein grimmiges Zähnefletschen bei einem zierlichen Häschen. Ich hatte einen leichten Schlaf, und so wachte ich nachts immer wieder auf, stieß sie an und wartete schweißgebadet auf den nächsten Ausbruch nasaler Ruhestörung. Keine gute Ausgangsbasis für eine große Liebe, für die Sarah unser Verhältnis für eine Weile hielt. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass wir aus den vorhandenen Bausteinen unseres Lebens keine Zukunft für uns mauern konnten. Dass es schön gewesen war, aber eben eine Sondersituation, die nicht einfach fortgesetzt werden konnte. Sie schluckte schwer, schrieb mich ab und kam doch immer wieder.
Arme Sarah! Sie begab sich sogar in psychologische Behandlung, um Herrin über ihr Schnarchen zu werden. Als ob es nur das gewesen wäre. Ich wurde körperlich kalt dab ei, fühlte mich schlecht und wusste nicht, wie ich diese Sache für beide Seiten einigermaßen erträglich beenden sollte: Die Situation war einfach unhaltbar. Da flog sie mal wieder in irgend ein fernes Land. Und als sie zurückkam, trug sie ein Muschelbändchen um das Handgelenk. Als ich sie danach fragte, lachte sie gekünstelt und wich aus: Das müsse sie tragen, bis sie wieder dorthin käme. Sie wäre nach ihrer Rückkehr fast in die nächste Maschine gestiegen, um wieder dorthin zu
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