Variationen zu Emily
tief die Linien um den Mund dabei in die Haut schnitten. „Was sind Gefühle? Meinst du Hunger, Durst? Die haben immer Vorrang. Meinst du Gefühle zu einem anderen Menschen? Das sind die armen Verwandten der wahren Empfindungen. Sie sind zulässig, solange sie dich auf deinem Weg nicht hemmen. Du denkst wahrscheinlich an die Gefühle, die du von Zeit zu Zeit einem Mann entgegenbringst. Schlaf ein paarmal mit ihm und beobachte ihn dabei und zwischendurch. Dann bist du schnell davon geheilt. Oder du denkst an deine Eltern. Überleg mal: Bist du ihrer nicht überdrüssig, seit du sechzehn bist? Oder du willst ein Kind. Warum? Weil du egoistisch bist und glaubst, damit einen Mann zu binden, den du nach der Geburt gar nicht mehr willst. Weil du glaubst, dann nicht mehr einsam zu sein, weil du hoffst, mit der Frucht deines Leibes dein Leben ins Unendliche dehnen zu können. Vergiss das Kind, den Mann und deine Eltern, weil du alles verlieren wirst. Nur das Notwendige bleibt, solange du lebst. Danach kommt nichts.“
Martha dachte nach. Dann fragte sie ein wenig heftig: „Und wo ist das Schöne, die Freude? Soll ich auf alles verzichten, was mir Spaß macht? Soll ich nur an Fressen und, entschuldige, Scheißen denken?“ Sabrina schaute sie an: „Nein, mein kleiner Liebling, so ist das nicht gemeint. Nimm mit, was dir w ichtig ist. Aber denk daran, dass alles andere als das Notwendige nur ein Spiel ist – und ein Wettbewerb, in dem jeder gegen jeden um den Sieg kämpft. Komm, ich bin müde. Lass uns gehen.“
Im Haus herrschte Stille. Sie bewegten sich vorsichtig, k onnten aber nicht vermeiden, dass ein paar verräterische Dielen knarrten und Türen leise ächzten. Die Toilettenspülung lärmte wie ein Artillerieregiment in voller Aktion. Schließlich aber lagen sie, vom Mond beschienen, in Unterwäsche nebeneinander im Bett. Vorhänge gab es nicht – sie gehörten hier wohl zu den unnatürlichen Dingen. Fern war das Knarren und Quaken von Fröschen zu hören. Ein Rascheln lief durch die draußen wachestehenden Bäume, als ein zarter Windstoß aus dem Wald herunterkam. Es hätte eine friedliche, entspannte Atmosphäre sein können, wenn um sie herum nicht diese seltsamen Menschen mit ihren ebenso seltsamen Lebensanschauungen gewesen wären. Sie war aufgewühlt, schon fast ein wenig traurig.
Sie war fremd hier. Und sie sehnte sich nach dem kommenden Tag, an dem sie wieder zurück in ihre Welt fahren würden. Das hier war doch nicht ganz nach ihrem Geschmack. Von außen wirkte es wie das Gemälde einer Idylle, aber wenn man in das Bild hineintrat, sah man auch hier das A ltern, den Verfall, den Überdruss und die Verweigerungshaltung, die versuchte, etwas zu konservieren, was niemals gewesen war: die Harmonie des Menschen mit seiner Umwelt.
Ein leises Knirschen durchschnitt die nur von ihrem Atem belebte Stille und kündete von vorsichtiger Bewegung im Haus. Die Tür öffnete sich langsam, und in ihrem Rahmen wurde eine Gestalt in weißem T-Shirt im Mondlicht sichtbar. Mehr Bekleidung trug der Mensch nicht. Es w ar Frank. Er trat ein und schloss behutsam die Tür.
11. HEIMFAHRT
Schlafen ... oder schlafend stellen ... nur kein Wort zu Sabrina ... war ja wirklich viel, was sie mir geboten hat ... aber eindeutig zu viel ... mein Gott, wie soll das nur weitergehen ... ich muss mir einen neuen Job suchen ... das kann ich wirklich keinem erzählen ... vielleicht bin ich ja naiv ... aber damit konnte ich doch wirklich nicht rechnen ... dass das für Sabrina eine Art von Sextourismus ist ... zu Hause kommt sie nicht zum Zug ... konzentriert sich wahrscheinlich auf ihre Entleerungen ... deswegen wollte sie mich dabeihaben ... macht sie offensichtlich an .... keine Frage, ich muss mit ihr brechen ... will nicht immer diesen wissenden Blick auf mir spüren ... dieses Buhlen um Einverständnis ... ich bin nicht einverstanden! ... und von diesem Leben in Weisheit ist der Lack auch erst einmal ab ... vielleicht wollen die ja wirklich ... aber sie können es einfach nicht ... der treu sorgende Familienvater ... wie aus einem Volkslied ... und nachts besorgt ers seiner Schwägerin ... ich kann Wilma nicht verstehen ... in diesem hellhörigen Holzhaus muss sie es doch einfach mitbekommen ... bleibt, wie sie ist ... heute morgen beim Frühstück wieder Idylle ... sie lächelt so nett, dass einem das Mitleid sonstwo stecken bleibt ... kommt da rein mit seinem steifen Ding, und Sabrina hat offensichtlich nur darauf
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