Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Saarmann
Vom Netzwerk:
zwar nicht so gut in dem Schaufenster eines Push-up-BHs und einer engen Hose präsentieren, aber dafür hielten sie wesentlich länger. Durchaus ein Kaufargument, wenn der Vertreter richtig vorging.
    Allerdings hatte Sabrina nach Marthas Kenntnisstand nie manden, der von ihren Reizen wusste und davon sprach. Was trieb diese Frau nur in ihrer Freizeit? Sie erzählte nie, dass sie sich mit Freunden traf. Saß sie jeden Abend zu Hause vor dem Fernseher? Schwer vorstellbar bei einer so aktiven und sexfixierten Frau, einer Frau, die die körperliche Interaktion mit anderen zu einem Teil ihrer Persönlichkeit gemacht zu haben schien. Sie hatte keinen festen Freund, keinen Liebhaber: So viel wusste Martha aus den Gesprächen. Vielleicht eine Liebhaberin? Sie würde sie fragen, heute abend. Mit einer Freundin sprach man sich aus, teilte man Geheimnisse, öffnete man sich. Und fragte um Rat! Ja, Sabrina brauchte wahrscheinlich jemanden, der ihr half. Und das wollte sie sein.
    Aber könnte sie das wirklich? Sie wusste schließlich auch nicht genau, wohin sie wollte. Sie war zerrissen zwischen dem alten, sepiafarbenen Bild der Ehefrau und Mutter, die ihrer Familie den Hafen und gesicherten Ankerplatz im Leben bietet, und der neu entstandenen Vorstellung, ein Leben ohne Verantwortung und den damit verbundenen Lasten zu führen. Frei für unkonventionelle, vielleicht wesentlich erfüllendere und lustvollere Gestaltungsformen! Mal ein Abend mit Sabrina, mal einer mit Tom. Vielleicht mal mit beiden zusammen? Und die vielfältigen Möglichkeiten, die das Leben sonst noch bot. Sie könnte ja auch mal mit ihrem Lebensretter ausgehen. Ach nein! Sie war ja eine Gestalt in seiner Geschichte. Das war zu gefährlich.
    Die Flasche war leer, vier Zigarettenstummel lagen im Aschenbecher. Egal. Sie war zwar eindeutig beduselt, schwappendes Prickelmeer im Magen – aber jetzt wollte sie etwas essen. Sie stand auf, hielt sich einen Moment an der Sessellehne fest, versuchte, die Umgebung scharfzustellen, und steuerte dann die Küche an. Sie touchierte den Türrahmen, ließ fast die leere Flasche fallen, schaffte dann aber doch noch die zweieinhalb Meter bis zum Herd. Fett wieder heiß werden lassen, dann das Fleisch hinein – kurz, bis es zu bluten beginnt. Dann umdrehen, gleichzeitig die Bohnen in die heiße Butter. Hin und wieder schwenken: Nicht anbrennen lassen! Im Brutzeln und Schmurgeln vom Herd überhörte sie fast die Klingel. Jetzt kam sie doch noch. Na toll!
    Sie wankte leicht, als sie zur Wohnungstür ging. „Ja?“ Die Antwort klang schroff über die Sprechanlage: „Wie: ja? Ich bin es. Wen hast du denn erwartet?“ Offensichtlich gut gelaunt, ihre Gespielin. Sie drückte auf den Türöffner, lehnte die Wohnungstür an und ging in die Küche zurück. Die Steaks in der Pfanne bluteten wie nach einem Überfall von Geronimo. Die Bohnen jammerten in ihrem zischenden Buttersud und zeigten eine leichte Bräune. Das war noch zu retten. Die Steaks wenden, die Bohnen mit ein wenig Brühe ablöschen. Dunst stieg auf und ein Duft, der Hunger machte. Da trat Sabrina in die Küche. Fettige Haare, fettige Jeans, fettige Haut. Sie hatte offensichtlich noch nicht einmal geduscht, bevor sie kam. Keine Spur davon, dass sie einen netten, attraktiven, ansehnlichen Eindruck hervorrufen wollte. Wozu der Inspektionsgang durch die Wohnung, wozu die gnadenlose Vernichtung eines Toilettenpapierschnipsels? Wozu ihre Intimrasur, wenn Sabrina augenscheinlich einen Ölwechsel an ihrem asthmatischen Auto im Sinn hatte?
    Sie roch muffig, als sie näherkam – wie zehn Wochen als Flohmarktware herumgeschoben. „Was machst du denn da?“ Sie schaute in die Pfanne, in die Kasserolle: „Ein kleines Festessen, was?“ Martha schwenkte die Bohnen, bearbeitete die zischenden Steaks mit der Gabel. Ihre Stimme war etwas höher als normal, als sie antwortete: „Ich habe Hunger, und ich mache mir etwas zu essen. Was dagegen?“ Sabrina lächelte höhnisch. Sie schaute umher. „Du hast auf mich gewartet, ja? Du wolltest mit mir einen gemütlichen bürgerlichen Abend verbringen, ja? Kerzen, Essen, etwas Nettes zu trinken, ja? Ein Plausch zwischen zwei Frauen am Lagerfeuer, wenn die Männer auf der Jagd sind, oder? Vielleicht auch noch ein paar Zärtlichkeiten, denn die Männer kommen ja erst morgen zurück. Das hast du gedacht, nicht wahr?“
    Sie setzte sich auf einen Küchenstuhl, rittlings, die Lehne vor ihrer Brust. „Du bist so blöd, Martha. Deine Rolle ist so

Weitere Kostenlose Bücher