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Variationen zu Emily

Variationen zu Emily

Titel: Variationen zu Emily Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Saarmann
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gemerkt, welche Biersorte ich am liebsten trinke, und eine ausreichende Menge davon gekauft.
    Eins trinken wir noch, oder? Mann, du wackelst ja. Der Tequila. Vielleicht besser ein Wasser? Nein? Na gut. Andrea! Ein Bier und einen Tequila. Und bestellt doch bitte schon mal ein Taxi für meinen Freund. Danke. Also. Wir sprachen eine Menge und gingen dann ins Bett. Im Schlafzimmer herrschte gedämpftes Licht. Sie verschwand kurz im Bad, kam im Morgenmantel zurück und sah mich lächelnd an. Ich lag unter der Decke und lächelte zurück. Sie sah mich immer noch an, als sie das Frotteeding fallen ließ. Ich sage dir, ich habe schon ein paar Frauen gesehen. Aber sie war einfach perfekt. Form und Bewegung, alles eine Harmonie. Am Morgen lag sie an meiner Schu lter, als wir erwachten. Ich küsste sie auf die Nase und fühlte mich schon wieder wie Napoleon. Da sagte sie: Liebling, das war das erste und einzige Mal. Du bist zu spät gekommen. Ich bin so gut wie verheiratet. Ich liebe dich, aber ich werde deinetwegen meine Lebensplanung nicht umstoßen. Ich will Ruhe und Sicherheit. Und du bringst Unruhe in mein Leben. Napoleon bei Waterloo.
    Wir frühstückten schweigend, und dann ging ich. Sie heiratete acht Tage später. Verstehst du? Das Aufgebot war schon bestellt gewesen. Tja. Lass uns gehen. Dein Taxi wartet. Machs gut.
     
     
     

22. WEG
     
     
    Frank saß auf dem alten Stuhl mit der Sitzfläche aus bröckelndem Binsengeflecht, auf dem er abends seine Kleidung ablegte, mit dem Rücken zum Fenster. Er sah seine schlafende Frau im Zwielicht des erwachenden Morgens an. Ihr Gesicht w ar ihm zugewendet, ihr Kopf auf seinem Kissen. So machte sie es immer: Im Schlaf rückte sie an ihn heran. Im Wachen fiel ihr das nicht ein. Wenn sie zu Bett gingen, kehrten sie einander schon seit Jahren die Rücken zu. Es hatte sich ein nicht mehr löschbares Verhaltensmuster entwickelt, über das sie niemals nachdachten.
    Es geschah nicht aus Abneigung. Sie hatten sich ohnehin nie wirklich gemocht. Aber bei ihrer Begegnung damals suchten sie beide nach einer Alternative zu einem unhaltbaren Status quo. Sie wollte nach einer schmerzlichen Trennung für sich ein ruhiges, vernunftbetontes Verhältnis und für ihre Kinder einen verständnisvollen Freund finden. Ihn dagegen verlangte es nach Selbstkasteiung, nach Überwindung seines alten Ich, das ihn mit Ekel erfüllte.
    Ihre Zustimmung zu seinem Vorschlag, einfach zu heiraten und das Risiko einzugehen, erneut zu scheitern, verdankte er eher seiner Stellung an einem Müller-Institut fern der Heimat, die ihm wie durch das Drehen eines Zauberrings ohne viel Eigeninitiative zugefallen war, als ihrer Neigung zu ihm. Ihr Motiv, möglichst rational und weit weg von ihrem bisherigen Lebensmittelpunkt eine neue Existenz aufzubauen, schien ihm für eine funktionierende Ehe eine bessere Basis zu bieten als Sex mit dem ganzen daran hängenden, wuchernden Gefühlsgeschwulst. Und tatsächlich reifte mit der Zeit eine Art der Partnerschaft, die eine bewusst geschaffene Balance von Geben und Nehmen in sich trug. Sie war nicht leidenschaftlich, nicht alles andere ausschließend, nicht besonders emotional. Aber sie hatten ihre Möglichkeiten zusammengeführt und gemeinsam etwas aufgebaut, das funktionierte und vielleicht von außen gesehen sogar einen gewissen altertümlichen Charme hatte. Ein wenig wie ein Bild von Spitzweg: Nachtmütze, Lorgnon und ein gewaltiges Federbett. Im Hintergrund allerdings war auf der Wand neben dem Bett der Schatten eines gehörnten Wesens zu erkennen.
    Das Licht wurde langsam kräftiger, obwohl der Sonnenaufgang noch fern war, und überpuderte ihre Haut, ihr Haar und ihre Wimpern mit einem unwirklichen, rosigen Glanz. Sie war noch immer zart, wenn sich auch um Mund und Augen Falten festgesetzt hatten und das blonde Haar bei bestimmten Lichtverhältnissen silbrig schimmerte. Aber bei diesem Farbenfuror, der sich draußen am Himmel entfaltete mit einer unvernünftigen Verschwendung von Grün, Orange und Gelb, erschien sie ihm noch jung und sehr hübsch. Ihr Körper widerstand der Vergänglichkeit noch beharrlicher als ihr Gesicht.
    Er wusste, dass sich ihre Schönheit unter der Bettdecke warm und duftend und unversehrt fortsetzte, denn manchmal schliefen sie noch miteinander. Nicht aus Leidenschaft, sondern um die sich mit der Zeit unvermeidlich einstellenden erotischen Bilder aus dem Bewusstsein zu löschen. Die kurzen, heftigen Umarmungen glichen denn auch einerseits der

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