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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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flüchtenden Barbaren vor sich her, den Hang hinauf in den Wald, scheuchte sie zwischen den licht stehenden Bäumen auseinander. Lenkte das Pferd zwischen sie und hieb mit der Klinge nach Hals oder Genick. Die Kameraden hatte er längst hinter sich gelassen, er befand sich unter den Berittenen, Jägern, die ihre Beute vor sich her trieben. Er lenkte das Pferd weiter den Berg hinauf, erkannte Caldus zwischen einem Standartenträger und einem Hornisten, hielt auf sie zu, und als er sein Pferd mit scharfem Zügelzug zum Stehen brachte, fuhr Caldus herum.
    »Titus Annius! Was treibst du hier? Dein Platz ist in der Achtzehnten, nicht bei den Reitern.«
    Nach Luft schnappend, saß Annius im Sattel, unfähig, ein Wort hervorzubringen, nickte nur knapp anstelle eines Gru ßes. Ein Zittern durchrieselte ihn, der rechte Arm sank herab und erlahmte. Unter dem Ärmel des Waffenrocks war die Haut dunkel verfärbt. Caldus blickte an ihm herab, und als er die blutverschmierte Klinge sah, hob er die Brauen.
    »Du hast hier nichts zu suchen. Kehre zurück zu deinen Kameraden.«
    »Ich habe sie verloren«, keuchte Annius. »Ich bin gestürzt.«
    »Reite hinunter zum Weg!« Caldus legte zwei Finger an die Lippen und stieß einen gellenden Pfiff aus, der den nächsten Reiter veranlasste, sein Pferd herzulenken. »Einer meiner
Männer wird dich begleiten, und dem wirst du das Pferd übergeben, verstanden?«
    Annius zögerte, doch ehe er zustimmen konnte, hörte er knackendes Holz, schnellen Hufschlag, sehr nahe. Er wandte sich um, erblickte die heranpreschenden Feinde, wollte aufschreien, als er erkannte, dass die Angreifer von drei Seiten anstürmten. Wurfspieße trafen den Signifer, der zusammenzuckte. Gemeinsam mit dem Hornisten warf Annius sich nach vorn, um ihre Pferde anzutreiben, als sie schon gestellt wurden. Annius’ Pferd stieg, als zwei Reiter sich zwischen ihn und die anderen drängten. Er sah Blut spritzen, hörte gurgelndes Stöhnen. Rammte seinem Pferd die Fersen in den Bauch, um sich mit blanker Klinge zwischen die Angreifer zu drängen.
    Der Signifer lag blutüberströmt mit zerschmettertem Schädel am Boden, während ein Barbar, der triumphierend Helm und Wolfsfell geschwenkt hatte, Annius verdutzt anstarrte. Annius wendete sein Pferd auf der Hinterhand, stellte sich schützend vor den Tribun. Der Hornist indessen deckte Caldus’ Rücken.
    »Wir brechen durch!«, zischte Annius. »Auf mein Zeichen!«
    »Sie wollen nur mich«, entgegnete Caldus leise. »Und du stehst ihnen im Weg.«
    »Das weiß ich, und das ist auch gut so!«
    Die Angreifer gerieten in Bewegung. Ein ersticktes Stöhnen verriet, dass sie den Hornisten erwischt hatten. Die Barbaren verengten den Kreis, dabei entstand eine Lücke. Annius riss den Arm hoch, als er ein hartes Klatschen hörte und im selben Augenblick sein Pferd wie von einem Katapult geschleudert davonsetzte. Ein Sattelhörnchen quetschte seine Hoden, dass ihm schwarz vor Augen
wurde. Sie hatten ihn reingelegt! Er riss an den Zügeln, er würde den Tribun nicht im Stich lassen! Doch das Pferd gehorchte nicht, buckelte und keilte aus. Mühsam hielt Annius sich im Sattel, krallte die Finger in die Mähne, bis er Atem geschöpft hatte. Endlich gelang es ihm, das bockende Tier zu wenden. Unbarmherzig hetzte er es den Weg zurück, den Berg hinauf, zwischen den Bäumen hindurch, bis er das Horn hörte.
    Die Reiter stoben über den Hügelkamm, während auf dem Waldboden drei leblose Körper zurückgeblieben waren. Caldus war nicht unter ihnen, wie Annius erleichtert bemerkte; dann durchlief es ihn eiskalt.
    Der Tribun war in der Gewalt der Aufrührer. Er war ebenso in ihrer Gewalt wie Thiudgif wohl auch. Wie rasend bohrte Annius die Fersen in die Flanken des Pferdes, peitschte es mit den Zügeln. Er holte auf, hörte sie hinter dem Hügelkamm. Zückte das Schwert, schlug dem Pferd die flache Seite der Klinge auf die Kruppe, als er den Reiter sah, den Barbaren, der aus dem Schatten des Waldes auftauchte, sich ihm in den Weg stellte. Erbarmungslos trieb Annius das keuchende Tier vorwärts. Er würde Caldus nicht kampflos den Wilden überlassen.
    Der Barbar griff hinter sich, etwas pfiff durch die Luft, traf Annius’ Stirn und schleuderte ihn rücklings aus dem Sattel in die Dunkelheit.
     
    *
    Gebückt hasteten die Frauen und Mädchen durch das Dickicht des Niederwaldes, hielten immer wieder an, lauschten und spähten umher. Obwohl sie den Hügelkamm und die nächste Senke hinter sich gelassen

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