Varus - Historischer Roman
Tisch, wo schon ein Korb voll dampfender Fladen und kleine Schüsseln mit allerlei eingelegtem Gemüse warteten. Der andere Freigelassene, Privatus, brachte eine Wasserschüssel und Tücher, damit Caelius und sein Gast sich die Hände waschen konnten, ehe sie sich auf zwei Schemel setzten.
Caelius liebte die Schlichtheit dieser Stube; die drei gepolsterten Klinen im Speiseraum nebenan waren mit Leintüchern überhängt, damit sie nicht verstaubten, während sein karges Leben sich in der Stube und einer engen, fensterlosen Schlafkammer abspielte. Jeder seiner beiden Freigelassenen bewohnte eine eigene Kammer, und zumindest Thiaminus’ kleines Reich war schmucker ausgestattet als das seines Herrn. Das lag wohl an der griechischen Herkunft seiner Mutter, einer Sklavin, die schon Caelius’ Vater als Magd gedient hatte. Stirnrunzelnd griff Caelius in den Korb, nahm eines der Brote, und nach Koriander und Kümmel duftender Dampf kräuselte sich auf, als er den Fladen in zwei Hälften brach. Er erinnerte sich gut an das Mädchen, an ihr lockiges, braunes Haar, das sie straff aufgeflochten unter Tuch und Strohhut verbarg. An ihre haselnussfarbenen Augen, die unter schweren Lidern hervorblitzten. An ihre vollen Lippen, ihr perlendes Lachen, an runde Waden und schmutzige Füße, die unter dem Saum einer verschlissenen Tunica hervorlugten. Wegen Ungehorsams war sie von ihrem Vorbesitzer verkauft worden, dabei gab sie sich anstellig bei der Arbeit. Nachdem Caelius’ Mutter gestorben war, hielt sie Haus, Stall und Acker instand, während
der Vater auf der Bank vor dem Haus saß und trank und Sohn und Magd mit Beschimpfungen oder Befehlen überschüttete, bis er einschlief. Caelius räusperte sich, schob den Rest des gebratenen Würstchens, das er in der Hand hielt, in den Mund. Damals war er fortgegangen und hatte sich beim Heer einschreiben lassen. Kauend zwinkerte er Opimius zu, der ihn mit fragender Miene musterte, und nahm ein weiteres Bratwürstchen von seinem Teller.
»Irgendwelche Vorkommnisse?«, nuschelte er mit vollen Backen.
»Im Lager keine«, erwiderte Opimius. »Im westlichen Dorf gab es am Abend eine böse Rauferei zwischen ein paar Galliern und Germanen.«
»Auxiliarsoldaten?«
Der Optio nickte. »Unter den Galliern macht sich Unmut breit. Viele haben kein Geld mehr.«
»Weil sie ihren gesamten Sold versaufen, verspielen und verhuren. Ich dachte, die Germanen seien schlimm, aber diese gallischen Reiter zeigen überhaupt keine Disziplin.«
»Befürchtest du Unruhen unter den Soldaten?«
Caelius schüttelte den Kopf, während er mit dem Rest des Fladens den Saft der Würstchen von seinem Teller putzte. »Man sollte sie in den Osten verschicken, nach Asia, Syria oder noch weiter weg von ihrer Heimat. Das würde sie Disziplin lehren!« Nachdenklich kaute er auf dem Brot herum, ehe er die Reste hinunterschluckte und murmelte: »Varus hat recht: Von ihren germanischen Kameraden könnten diese Gallier viel lernen.«
Mit dem Ellenbogen schob Annius den Riegel zurück und drückte die Tür auf, die knirschend nachgab, während er die
im Zwielicht liegende Kammer betrat. Er stellte das Tablett mit dem duftenden Tontopf, den beiden ineinandergestellten Näpfen und Löffeln auf dem Boden ab, um die Türe wieder zu schließen, da fiel sein Blick auf die Gestalt, die unter dem Fußende des alten Bettes kauerte und ihn aus erschrockenen Augen anstarrte. Ihre kleinen Fäuste ballten sich um einen dünnen Stecken, den sie drohend vor sich hielt. Beschwichtigend hob er die Hände, näherte sich langsam dem Mädchen, das angespannt wie eine Katze in Bedrängnis zurückwich.
Jäh schnellte sie vom Boden, warf sich auf ihn, dass er rücklings gegen die Tür taumelte. Eine Faust traf ihn in die Magengrube, raubte ihm den Atem. Seine Hände stießen vor, umschlossen eines ihrer Handgelenke, er wand ihr den Arm auf den Rücken, sodass sie sich umdrehen musste, umschlang ihre Schultern und zog sie eng an sich. Sie bäumte sich auf, keuchte, schrie fast, wand sich. Es kostete ihn überraschend viel Kraft, sie festzuhalten. Immer wieder trafen ihre bloßen Fersen seine Schienbeine, trommelten auf seinen Füßen. Ihre Nägel bohrten sich in seinen Unterarm, kratzten ihn. Ein einziger Schlag gegen die Schläfe würde sie außer Gefecht setzen, ein einziger Schlag, doch er hielt sie fest, ohne ihrem Toben etwas entgegenzusetzen. Plötzlich schlug sie ihre Zähne in seinen Arm. Der Schmerz entrang ihm einen Aufschrei, zugleich
Weitere Kostenlose Bücher