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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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herausziehen konnte. Die beiden Frauen standen mitten im Raum und kneteten die Hände vor ihren schmutzigen, zerrissenen Röcken, als Thiudgif unversehens klar wurde, dass Sura nicht bei ihnen war. Flüsternd fragte sie Amra nach ihrer Tochter.
    »Sura musste draußen bleiben. Bei den Wachtposten. Sie werden ihr nichts tun. Die anderen sind auch dort.«
    Sie rührten sich nicht von der Stelle, äugten nur umher, sodass sich ihre Blicke gelegentlich begegneten. Jetzt, da sie zur Untätigkeit verurteilt war, sah Thiudgif wieder alles vor sich, was sich soeben erst ereignet hatte, Thiaminus mit Bogen und Köcher, der sie anschaute, bevor er und Privatus mit ihren wenigen Waffen hinter den niedrigen Sträuchern Stellung bezogen. Sie hatte sich kurz vor dem Tor umgedreht, da hockten die beiden noch immer dort, und die feindlichen Reiter stürmten auf sie zu. Thiudgif kämpfte mit den Tränen. Fieberhaft versuchte sie, sich das Gesicht des jungen Thiaminus
vorzustellen, doch es blieb ein verwaschener Schemen, ebenso das Bild des Privatus, mit dem sie auf dem ganzen Weg nur wenige Worte gewechselt hatte. Sie empfand es als schäbig, entkommen zu sein, würgte an einem Gefühl der Schuld.
    Als die Tür aufflog, schrak sie zusammen. Im Rahmen stand ein bärtiger alter Mann in einem Kettenhemd, acht silberne Ehrenscheiben auf der Brust, geziert von Frauenköpfen, deren Haare Schlangen waren. Er trat ein, warf seinen Helm, den knotigen Stock und den Umhang, den er über den Arm geschlungen hatte, auf eine der Liegen, ehe er sich zu den Frauen umdrehte.
    »Wer seid ihr, und woher kommt ihr?«
    »Flavia Amra, Gattin des Gefreiten Quintus Statilius - er gehört zur Siebzehnten Legion. Wir haben uns mit einigen anderen Frauen aus der Einkesselung durch die aufständischen Barbaren retten können.« Sie deutete auf Thiudgif. »Diese Frau, Annia Rufilla, Freigelassene des Beneficarius Titus Annius aus Tarraco, hat uns durch die Wälder hierhergeführt.«
    »Eine Einheimische?« Der Mann nahm den Schwertgurt von der Schulter, legte den Gürtel mit dem Dolch ab und setzte sich auf die Liege, um die Riemen seiner Sandalen zu lösen. Als er aufblickte, nickte Amra stumm. Da schien er sich zu besinnen, denn er verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen.
    »Ihr müsst entschuldigen, ich bin ein einfacher Mann. Ich verstehe mich besser darauf, die verfluchten Barbaren von diesen Mauern fernzuhalten, als auf Unterhaltungen mit Damen. Lucius Caedicius heiße ich, und nachdem ich mein Jahr als Primipilus abgeleistet hatte, wurde ich zum Lagerpraefecten von Aliso ernannt. Und jetzt habe ich ein Problem.« Er
seufzte schwer. »Übrigens seid ihr nicht die Einzigen, die es hierhergeschafft haben.«
    Thiudgif traf es wie ein Schlag, sie tat einen Schritt auf den Mann zu, wäre beinahe vor ihm auf die Knie gesunken, als Amras Hand sich fest um ihren Arm schloss.
    »Es sind mehr als zweihundert Mann, und die erzählen grauenhafte Dinge«, fuhr er fort. »Das Übelste daran ist, dass es niederträchtiger Verrat war, der diesen Aufstand ermöglichte.«
    Auf sein Klatschen hin betraten zwei Sklaven den Raum, der eine trug ein Bronzebecken mit Wasser und einige weiße Tücher, der andere ein Körbchen und einen Dreifuß, den er vor dem Offizier aufbaute, damit der erste das Becken darauf abstellen konnte. Als Thiudgif sah, dass Amra ihr Gesicht hinter dem Schleier verbarg und sich abwandte, drehte auch sie sich zur Seite. Verstohlen beobachtete sie aus dem Augenwinkel, dass der erste Diener Caedicius das Gesicht, dann Arme und Hände, schließlich Beine und Füße wusch. Der andere, der sich kurz entfernt hatte, kehrte indessen mit einem Tablett zurück, auf dem sich ein silberner Krug und drei Becher befanden sowie Körbe mit Brot und kleine Schüsseln.
    »Darf ich die Damen zu einer kleinen Stärkung einladen? Oder möchtet ihr zunächst ein Bad nehmen? Das lässt sich nämlich einrichten.«
    »Meine Tochter …«, begann Amra vorsichtig.
    Er sah sie an, winkte dann einen der beiden Sklaven zu sich, um ihm etwas zuzuflüstern, und der Mann verschwand.
    »Ich gehe davon aus, eure kleine Schicksalsgemeinschaft war eine Zufallsbekanntschaft.« Ein launiges Zwinkern legte Falten um seine Augen. »Wichtig ist, dass ihr euch durchgeschlagen habt - zu schade, dass die beiden Männer sich am Ende nicht retten konnten.«

    Plötzlich verließ Thiudgif die Kraft, sie schaffte es gerade noch bis zu einer Liege, die ein Stück hinter ihr stand, bevor ihre Knie

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