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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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packen.«
    »Aber ob wir uns lange genug halten können, wenn die Aufständischen ihr Heer hier sammeln …« Caedicius’ Blick ging durch Thiudgif hindurch, dann blinzelte er, als wäre er gerade erwacht. »Abzug wäre eine Möglichkeit, aber ich habe nicht die Absicht, uns wie ein Rudel Wild aus dem Schutz des Waldes vor die Jäger treiben zu lassen, wie das Varus offenbar zugestoßen ist.«
    »Das würde geschehen, wenn ihr auf der Straße marschiert, denn das erwarten die Belagerer«, entgegnete Thiudgif und schaute dem Lagerpraefecten beherzt in die verengten Augen. »Aber es gibt andere, verborgene Wege. Wege, die nicht einmal die Krieger kennen.«
    Schweigend verharrte Caedicius, doch das war immer noch besser, als wenn er sie, wie sie befürchtet hatte, einfach davonjagte.
    »Du gehörst zu denen da draußen, Mädchen«, knurrte er schließlich.
    »Dann stünde ich nicht vor dir, Lucius Caedicius. Mächtige kämpfen gegen Mächtige, und die einfachen Menschen zahlen den Tribut, ganz gleich an wen. Die da draußen bedrohen dein Leben ebenso wie das deiner Soldaten - aber auch das Leben derer, die sich hierhergeflüchtet haben auf heimlichen Wegen, die die Belagerer nicht kennen.«
    Caedicius musterte sie weiterhin, ohne dass der Argwohn aus seiner Miene wich, aber etwas schien in seinen Augen erwacht. Nach einer Weile kratzte er sich unter dem Kinn,
brummelte nach Altmännerart vor sich hin, biss sich auf die Lippen.
    »Du siehst, wozu dieses Pack fähig ist?«, blaffte er und wies mit dem Daumen hinaus auf die grölende Menge der Feinde.
    Thiudgif verkniff sich die spitze Erwiderung, die auf ihrer Zunge lag, und nickte stattdessen.
    »Wir Flüchtlinge haben das gleiche Ziel wie ihr«, sagte sie scharf, »und auf unseren Pfaden können wir es gemeinsam erreichen.«

    Zwischen lichten Wäldern und Mooren kamen Annius und Sabinus nur langsam voran. Flussläufe und Sumpfseen versperrten ihnen den Weg, die Bohlenwege waren morsch und oft kaum auszumachen. Dörfer gab es nicht viele in dieser Gegend, dafür fanden sie sich einmal unversehens unter einem riesigen Baum, von dessen Ästen Holzfiguren und Tierschädel hingen, die im Wind leise klapperten.
    Nachdem sie ihre getöteten Kameraden notdürftig bestattet hatten - ein Feuer zu machen, hatten sie nicht gewagt -, waren sie rasch aufgebrochen, abseits des befestigten Weges, der für sie unsicher geworden war. Einmal hatten sie sich vor Reitern verstecken müssen; dabei war Annius aufgefallen, dass Sabinus bei seinem Sturz mehr davongetragen hatte als einen Kratzer. Doch als Annius seine notdürftigen Feldscherkenntnisse angeboten hatte, hatte Sabinus nichts davon wissen wollen, was Annius ihm sogar nachfühlen konnte.
    Am dritten Tag erbeutete Annius mit einem Wurfspieß eine unvorsichtige Gans, die Sabinus, seinen wachsenden Beschwerden zum Trotz, gekonnt im Lehmmantel buk. Das kostete sie zwar einen halben Tag, aber sie waren dadurch
zumindest mit Vorräten versorgt. Heißhungrig verschlangen sie die fetten Teile und Innereien, schliefen viel und träumten schlecht, um am folgenden Tag ihren Weg fortzusetzen. Sabinus war schweigsam, umso ausdauernder versuchte Annius ein Gespräch in Gang zu halten, damit keine trüben Gedanken die Geister der Toten anlockten. Immer wieder fiel Sabinus zurück, er erwähnte Kopfschmerzen, musste mehrfach austreten, aber er klagte nicht.
    Als Annius geraume Zeit keine Antwort mehr erhalten hatte, blieb er mit dem Maultier stehen, wandte sich um und bemerkte, dass er wieder einmal allein war. Verwundert wartete er, holte sich aus einer der Tragtaschen auf dem Rücken des Maultiers ein Keulenstück von der gestern erjagten Gans, setzte sich in den Schatten der Sträucher, an eine Stelle, von der aus er die zurückgelegte Wegstrecke gut überblicken konnte, und nahm ein verspätetes Mittagessen zu sich. Sabinus würde schimpfen, denn er hatte die reichlichen Reste des Vogels für die Rast am Abend bestimmt, aber Annius’ Magen forderte bereits seit einigen Meilen sein Recht ein. Geduldig nagte er eine Seite der Keule ab, damit noch etwas bliebe, um Sabinus’ Unmut zu besänftigen.
    Doch als der Kamerad ausblieb, schlich sich dumpfe Sorge in seine Brust. Er schwang sich auf den knochigen Rücken des Maultiers und trieb es mit Zungenschnalzen und Fersentritten den Weg zurück. Im nächsten flachen Talgrund hüpfte ein Bach über große Kiesel, und auf einem vom letzten Hochwasser ans Ufer gespülten Baumstämmchen saß Sabinus,

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