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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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auch er Dinge zusammengezählt hatte, die offenbar nicht zusammengehörten. Er hoffte inständig, dass Valas Groll schon nachgelassen hatte, dass die Verbannung aus dem Kreis der hohen Offiziere nicht noch länger andauerte.
    »Ich muss die Sache in Ordnung bringen«, unterbrach Annius
die Stille. »Wenn die Unruhen beendet sind, möchte ich das Mädchen nach Aliso zu ihrer Familie zurückbringen.«
    Verwundert sah Caldus ihn an. »Wozu soll das gut sein? Wer nimmt eine Braut, die keine Jungfrau mehr ist?«
    »Ich habe sie nie angerührt«, entgegnete Annius unerwartet schroff. »Ich habe sie doch nicht diesem stinkenden Bock entrissen, um … Sie ist fast noch ein Kind!« Kopfschüttelnd verlangsamte er seine Schritte, fiel zurück. »Ich habe keinen Gefallen an so jungen Dingern«, murrte er kaum noch hörbar. »Und außerdem verstößt es gegen die Sitten der Vorfahren.«
    Caldus blickte voraus, die Hauptstraße des Lagers hinauf, sah die aufgepflanzten Feldzeichen, die Wimpel, die im Abendwind flatterten. Er hatte einen Bericht zu diktieren, musste seinen Schreiber rufen. Dabei ging gerade ein Stabsschreiber hinter ihm her. Caldus blieb stehen.
    »Titus Annius, kennst du dich mit Berichten aus?«
    Der Gefreite lachte leise. »Nichts anderes ist meine Aufgabe, seitdem ich nicht mehr für kampftauglich gelte.«
    »Nicht mehr kampftauglich?«
    »Das ist eine andere Geschichte.«
    Annius winkte so unwirsch ab, dass Caldus nach kurzer Besinnung die aufgekeimte Neugier dämpfte. »Ich mache dir einen Vorschlag. Du begleitest mich in mein Quartier und schreibst meinen heutigen Bericht. Mein Einfluss reicht zurzeit nicht weit«, Caldus verzog die Lippen zu einem schiefen Grinsen, »aber dafür, dir einen Auftrag zu verschaffen, der dich nach Aliso führt, genügt er sicher noch.«
    Kurz bevor sie das Tor erreichten, wurde Annius langsamer und fiel hinter Caldus zurück, wie es sich gehörte. Erst dann bemerkte Caldus den Gefreiten, der auf ihn zu rannte und dabei eine Nachricht in den Händen schwenkte.

    »Gaius Caelius«, keuchte der Mann, »du sollst dich am späteren Abend zum Hauptzelt begeben. Numonius Vala und der Statthalter erwarten dich.«

    Ein Sklave schob den Vorhang zur Seite, der das Zelt des Statthalters teilte, und machte Platz für Varus, der die langen Ärmel seiner Tunica glatt wischte, während er eintrat.
    »Ich frage mich, ob wir nicht ein wenig zu streng waren mit unserem jungen Freund.«
    Sein mildes Lächeln behagte Vala nicht, der rasch einen Schluck aus dem Silberkelch nahm.
    »Immerhin gehört sein Vater zu meinen engen Vertrauten«, fuhr Varus fort. »Ich gebe viel auf sein Wort und bedaure zuweilen, dass er mich nicht hierherbegleitet hat. Seinen Sohn zu unterstützen, ist mir ein Bedürfnis. Er hat zwar das Soldatische im Blut, weil schließlich schon seine Vorväter tapfere Männer waren, aber er ist ebenso jung wie unerfahren. Du hast es ja gesehen.«
    Vala nickte, während Varus auf seine Kline stieg und es sich dort, unterstützt von seinem Kämmerer, bequem machte, ein Sklave reichte ihm einen Silberkelch, verziert mit Ranken und Masken, gefüllt mit dem gleichen gesüßten, gewürzten und verdünnten Wein, den auch Vala genoss.
    »Wir werden sehen, ob Ceionius die Sache richtig beurteilt«, sagte Vala und hob seinen Kelch, um Varus zuzutrinken.
    Der Türvorhang wurde beiseitegeworfen, und ohne Ankündigung betrat ein Gefreiter das Zelt, gefolgt von dem Tribun, den Vala hatte rufen lassen. Als Caldus die Anwesenden begrüßte und sich vor Varus und Vala verneigte, zuckte ein dünnes Lächeln in den Mundwinkeln des Legaten. Ihm gefiel
die Verunsicherung, die er aus Caldus’ Miene las. Der Bursche war einfach noch zu jung für dieses Geschäft, dachte er, während er die Wachstafeln entgegennahm, die der Gefreite ihm darbot. Schon beim bloßen Überfliegen erkannte Vala, dass er einen ebenso klaren wie ausführlichen und sauber gegliederten Tagesbericht in der Hand hielt, wie er es von diesem Tribun erwartete. Mit einem befriedigten Nicken legte er die Tafeln beiseite und nahm einen Schluck aus seinem Kelch. Varus lächelte den jungen Mann, der sich zögernd auf Valas Kline setzte und einen gefüllten Kelch aus der Hand eines Sklaven entgegennahm, undurchdringlich an, wie es seine Art war, wenn er jemanden aufmerksam beobachtete.
    »Irgendwelche Besonderheiten? Verluste?«, fragte Vala betont sachlich.
    Der Tribun schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen. Verladung und Beförderung

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