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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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Vala den Feldherrnmantel umlegte.
    »Die Weiber aus dem Tross drängen ins Lager«, sagte er. »Sie behaupten, zwei von ihnen seien verschwunden und ein Wagen sei in Brand gesteckt worden.«
    »Verschwunden? Wie soll das geschehen sein?«
    Der Sklave schloss die Fibel und ordnete die Falten, bis Vala seine Hände ungeduldig abschüttelte.
    Der Optio hob hilflos die Hände. »Das wissen wir nicht. Da hat wohl wieder eine nicht auf ihr Feuer aufgepasst, und schon fliegen die wildesten Gerüchte umher!«
    »Ist denn etwas dran an der Sache?«
    »Das wissen wir noch nicht. Centurio Primipilus Marcus Caelius kümmert sich darum.«
    Vala rieb sich nachdenklich das Kinn. Wenn Marcus Caelius ihm seinen Optio schickte, um ihn zu unterrichten, dann beurteilte er die Lage als ernst. »Soll ich zu den Frauen sprechen? Oder wäre es sinnvoll, ein paar Wachmannschaften draußen zu postieren?«
    »Marcus Caelius erbittet die Befugnis, über die weiteren Maßnahmen frei zu entscheiden. Zusätzliche Wachmannschaften sind allerdings nicht seine erste Wahl, weil dadurch nur noch mehr Männer morgen übermüdet wären und der Heereszug zu langsam vorankäme.«
    »Ich hoffe, ihr habt den Statthalter bisher in Ruhe gelassen. Solange sich der Verdacht, dass Aufständische uns bedrohen,
nicht erhärtet, besteht keine Notwendigkeit, ihn zu behelligen.«

    Thiudgif stand dicht neben Amra, während die Menge der Frauen von allen Seiten das Tor umlagerte. Amra hielt ihren Schleier fest, damit er ihr nicht im Gedränge vom Haar rutschte, und ihre Tochter hatte sie eng an sich gezogen, um sie zu schützen.
    Sie hatten beim niedergebrannten Feuer gesessen, als eine Reisegefährtin eilig näher gekommen war und sich neben Amra hingekauert hatte, um dieser nach kurzer Begrüßung und Umarmung etwas ins Ohr zu flüstern. Amra war zurückgezuckt, hatte laut geantwortet, das könne doch nicht wahr sein. Zwei Sklavinnen eines Centurios der Siebzehnten seien vom Beerensammeln nicht zurückgekehrt, flüsterte die Frau aufgeregt. Wie eine eisige Faust hatte die Angst nach Thiudgifs Herz gegriffen, und sie klammerte sich an den warmen Klang der Stimme ihrer Beschützerin, die beruhigend auf ihre Gefährtin einredete.
    Jetzt, da Thiudgif eingezwängt zwischen den verängstigten Frauen und Kindern vor dem Lagertor stand, erinnerte sie sich, die drei Näpfe, aus denen sie gegessen hatten, und den geleerten Tontopf beim Wagen abgespült zu haben. Ringsum hatten die vertrauten Lichter der Kochfeuer zwischen den Wagen geschimmert, schwarzgraue Wolken über ihr gehangen, von unten matt beleuchtet. Dann hatte sie die Unruhe bemerkt, ferne Schreie, flackernde Zungen, die an den Dunstschwaden leckten.
    In Windeseile hatte sich mit der Nachricht, dass ein Wagen in Brand geraten war, Unruhe ausgebreitet, waren die Menschen hilferufend zum Tor gerannt, erst einzeln, dann in
Gruppen, bis Thiudgif sich schließlich inmitten eines schiebenden Volkshaufens auf dem Zugang zum Lager wiedergefunden hatte, wohin sie von Amra mitgezerrt worden war. Auf dem Quergang über dem Tor reihten sich die Soldaten, von denen einer die Menschen mit wütendem Gebrüll aufzuhalten versuchte. Doch das schürte nur die Unruhe in der Menge.
    Plötzlich wurde der Mann beiseitegeschoben, und an seiner Stelle tauchte ein anderer hinter der Brüstung auf, lehnte sich darüber. Er trug einen weißen Umhang, der seine Gestalt deutlich vor dem nächtlichen Schatten abhob. Amra drehte den Kopf zu Thiudgif.
    »Einer der Legaten«, sagte sie. »Numonius Vala von der Achtzehnten.«
    Die Nachricht flog über die Köpfe hinweg, und als der Offizier auf dem Quergang langsam und gebieterisch die Rechte hob, wurden die Leute still.
    »Wer spricht für euch?«, donnerte die Stimme des Mannes auf sie herab.
    Ringsum erhob sich leises Zischen und Tuscheln, die Blicke huschten unsicher umher, Hände wurden abwehrend erhoben, manch einer duckte sich weg oder senkte betreten den Kopf.
    »Amra«, rief eine helle Stimme aus der Menge. »Flavia Amra, die Frau des Quintus Statilius, soll für uns sprechen!«
    Andere stimmten ein in den Ruf, und je tiefer sich Amra in ihren Schleier verkroch, desto lauter echote ihr Name über den Köpfen, die Leute wichen ein Stück beiseite und bildeten eine Gasse bis zum Tor. Thiudgif bemerkte, dass Amra sich ruckartig straffte und den Mantel zurechtzupfte.
    »Kommt mit mir!«, befahl sie und zog sacht an Thiudgifs Umhang.

    Hochaufgerichtet ging sie ihrer Tochter und Thiudgif voran

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