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Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
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freien Schemel neben zwei älteren Soldaten zu setzen. Ihre Kleidung und Taschen wiesen sie ebenfalls als Schreiber aus.
    »Worum geht’s?«, flüsterte Annius seinem Nebenmann zu.
    »Weiß nicht. Uns sagen sie ja nichts.«
    Legat Vala hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und durchmaß das Zelt mit ruhelosen Schritten. Seine zerfurchte Stirn verhieß nichts Gutes, und es schien, als hätte er diese sinnlose Wanderung nur bei Annius’ Eintreten kurz unterbrochen. Annius nahm die Schreibsachen aus der Tasche und wischte verstohlen die schweißnassen Hände an der Tunica ab. Das Dröhnen der draußen vorüberziehenden Truppen weckte erneut die Erinnerung an das Gefecht. Er
durfte jetzt nicht die Augen schließen, die Bilder würden wie Wellen über ihm zusammenschlagen und ihn hinabreißen.
    Er hatte geglaubt, es überwunden zu haben, aber ihm war, als hätten sich in diesem kurzen Rausch auch die alten Erinnerungen aus ihrem Gefängnis befreit und lauerten nun in den Winkeln seines Herzens. Der Zwang, sie wegzuschließen, umklammerte seine Brust wie ein eisernes Band und machte ihm das Atmen schwer. Im Schlaf würde sich das Band lösen, und die Furien würden ihn durch das Labyrinth böser Träume hetzen, in dem er sich schon einmal fast verloren hätte.
    Annius legte die Hände auf die Oberschenkel, atmete langsam aus und ein und schickte stumme Bittgebete zu Apollon, versprach ihm ein Zicklein, ein Erstlingslamm, bis er spürte, dass die Ruhe zurückströmte.
    »Fehlt dir was?«, fragte sein Nachbar.
    Annius schüttelte langsam den Kopf und klappte eine der Tafeln auf, um sich darin zu vertiefen oder wenigstens diesen Anschein zu erwecken. Ihm war nicht nach Geschwätz, er war mit sich selbst genug beschäftigt. Auch das Mädchen würde ihm nicht helfen können, sie war gut, aber zu jung, er sollte sie schützen, und dazu fühlte er sich nicht imstande. Er musste sie auf dem schnellsten Wege nach Aliso bringen, zu ihrer Familie.
    Wenn das hier vorbei war.
    Aus dem Stapel, der auf seinen Oberschenkeln lag, zog er ein aus Papyrusblättern gefertigtes Heft, das Caldus ihm in die Tasche gestopft hatte. Auf dem Rückweg zur Heeresspitze hatte der sonst eher ruhige Tribun unentwegt geredet, belangloses Zeug über Neuerungen, die bevorstünden, als hätte er zu viel getrunken. Annius kannte diesen Zustand nur zu gut; der erste wirkliche Kampf war wie ein schweres
Essen, nach dem man entweder einen langen Schlaf oder viel Bewegung brauchte, um es zu verdauen. Caldus brauchte Bewegung, er übertönte die Stimmen in seinem Inneren durch gedankenloses Geschwätz und drückte seinen Dank dann in einem wertlosen Geschenk aus.
    Annius drehte das Heft in den Händen, und der Papyrus schnarrte leise, als er die steifen Seiten durch seine Finger fliegen ließ. Ein senatorischer Tribun aus bestem Hause konnte sich solches Schreibmaterial leisten, das zwar wesentlich leichter und handlicher war als Wachstafeln, das man jedoch mühselig abschaben musste, wenn man es wieder verwenden wollte.
    Vala blieb stehen und wandte sich den Schreibern zu. »Ich habe euch gerufen, damit ihr den Bericht eines Boten niederschreibt, den uns Arminius und Segimerus geschickt haben. Angesichts der anhaltenden Angriffe durch Aufständische nehme ich mir das Recht heraus, den Boten als Erster anzuhören, und ich möchte euch zu Zeugen haben. Zugleich verpflichte ich euch hiermit zu vollkommenem Stillschweigen, das ihr mir bei euren heiligen Standarten schwören sollt.«
    Annius und die beiden anderen Schreiber hoben die Rechte, schlugen sich damit leicht auf die Brust und gelobten das Verlangte. Als Vala sich auf die Kline setzte, eilte sein Leibsklave herbei und ordnete rasch seine Kleidung, bevor auf seinen unwirschen Wink hin der Zeltvorhang beiseitegeschlagen wurde. Ein Mann trat ein, gefolgt von zwei Soldaten. An den ledernen Hosen, die unter Kettenhemd und Waffenrock hervorlugten, war er leicht als Berittener erkennbar. Den Helm hatte er an den Gürtel gebunden, am Schultergurt hing das längere Schwert der Reiter, und eine schön gearbeitete Ledertasche hing von seiner Schulter. Auffallend
war sein gebräuntes, jungenhaftes Gesicht unter dem hellen Haarschopf, die rötlich blonden Augenbrauen. Trotz der Bartstoppeln schätzte Annius, dass er mindestens zehn Jahre jünger war als er selbst.
    Der Bote grüßte straff und verharrte hochaufgerichtet vor dem einschüchternd auf seinem Möbel thronenden Legaten.
    »Iulius Arminius, Tribun der

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