Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Varus - Historischer Roman

Titel: Varus - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Kammerer
Vom Netzwerk:
hätte sich auf eine günstige Prophezeiung verlassen, ein paar Raubvögel, die über sie hinweggezogen seien, die aber außer den Vogelschauern niemand gesehen habe. Caldus ließ die Worte über sich ergehen, er dachte an Annius, an dessen wütenden Einsatz gegen mehrere Barbaren.
    »Publius Quinctilius, ich habe eine Bitte«, begann er, als Varus endlich verstummte. »Der Mann, der mir bei den Ermittlungen geholfen hat, Titus Annius, Beneficarius in deinem Stab, wurde zur kämpfenden Truppe zurückbeordert. Mir wäre lieber …«
    »Du schuldest ihm Dank und möchtest vermeiden, dass ihm etwas zustößt«, unterbrach ihn der Statthalter. »Aber dir ist hoffentlich klar, dass es kaum eine größere Schmach für einen Legionär geben kann, als in einer Situation wie dieser aus den Reihen der Kameraden geholt und in eine Sänfte gesetzt zu werden.«
    Beschämt ließ Caldus den Kopf hängen, weil er in seinem Wunsch, Annius in Sicherheit zu wissen, nicht daran gedacht hatte, was das für dessen Ehre bedeuten könnte. »Er ist ein guter Gerichtsschreiber«, murmelte er. »Du hast ihn selbst angefordert.«
    »Über meinen Tisch gehen viele Anträge, und ich kann mich nicht an jeden einzelnen erinnern. Der Name des Mannes ist mir nicht geläufig, aber ich bezweifle nicht, dass er fähig ist, wenn er in meinem Namen angefordert wurde. Aber dies ist die Zeit des Kämpfens, und auch er wird wissen, wo jetzt sein Platz ist.«

    Eine Zeit lang ritten sie schweigend nebeneinander her, die Pferde griffen zügig aus, und Caldus begann die Gunst, die der Statthalter ihm zuteil werden ließ, zu genießen. Legat Vala befand sich bei der Vorhut und ordnete die Aufgaben der Reiterei, die beiden Lagerpraefecten Ceionius und Eggius kümmerten sich um die unabdingbare Ausrüstung, die unter schwerer Bewachung vorausgeschickt worden war und in deren Schutz auch die verbliebenen Angehörigen der Soldaten sowie Huren und Händler gingen. Die übrigen Tribunen, ritterliche wie senatorische, hielten sich bei ihren Legionen. Bei Varus befand sich sein engster Stab, der Quaestor Flavius, die niederen Richter, einige Vertreter der Steuergesellschaften und die Praetorianer, die auch die Soldkasse bewachten.
    »Wird die Sache Folgen für dich haben?«, fragte Caldus vorsichtig.
    Varus lachte leise. »Eine Abberufung wird das Mindeste sein, was mir blüht. Dem Senat gegenüber werde ich Rechenschaft ablegen müssen, dann wird man mir vermutlich nahelegen, mich auf eine längere Reise zu begeben. Wenn meine schöne Claudia das möchte und der Kleine alt genug für eine Reise ist, werde ich das sogar tun. Wir wollten uns ohnehin das Land der Griechen ansehen und die Asia.« Er zog ein Tuch aus dem Bausch seines Mantels und wischte sich sorgfältig über das Gesicht. »Du erinnerst dich sicher an Marcus Lollius, der als Statthalter der Gallia am Ufer des Rhenus eine böse Schlappe gegen einige Barbarenstämme hinnehmen musste.« Als Caldus wortlos zustimmte, fuhr Varus fort: »Es war eine schlimmere Niederlage als diese, mit weitaus schwereren Verlusten. Lollius wurde hart getadelt, zog sich einige Jahre lang aus Rom zurück und wurde dann in Ehren …«

    Varus hielt inne. Ein Reiter mühte sich durch die Reihen der Leibgarde, schlug unbarmherzig mit der flachen Seite der Schwertklinge auf die Kruppe des Tieres ein.
    »Der Tross!«, schrie er. »Wir werden angegriffen! Es sind Hunderte! Hunderte!«

    Dicht neben Thiudgif prallte der Körper des Pferdes hart auf die Erde, bäumte sich mit einem durchdringenden Keuchen auf, ehe er zusammenbrach. Thiudgif packte Suras Arm und warf sich mit ihr hinter das Tier in den Schlamm - keinen Augenblick zu früh, denn schon brachen die Angreifer in breiter Front brüllend durch das Unterholz. Thiudgif zog den Kopf ein, tastete nach dem Dolch in ihrem Gürtel, Annius’ Dolch, den sie hervorzog. Sie bedeckte sich und das Kind mit ihrem dreckigen Umhang und spürte Suras schrilles Kreischen im ganzen Leib, bis sie ihr den Mund zuhielt. Die Männer rannten über das tote Pferd hinweg, kaum ein Fuß traf Thiudgif, die sich mit Sura noch enger an den Kadaver schmiegte und das Gesicht in den Morast drückte.
    Hinter ihr krachten die Angreifer auf die Schildwand, Eisen schlug klirrend aufeinander, prallte auf Holz. Schreie gellten auf, ein Horn tönte. Durch die Luft fauchte eine Fackel. Dumpf schlug hinter Thiudgifs Rücken etwas auf den Boden, zuckte wild, erlahmte mit einem gurgelnden Keuchen. Thiudgif spürte Suras

Weitere Kostenlose Bücher