Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
zurechtgelegt, dass du persönlich ihren Lieblingscomic zeichnest. Es ist sinnlos, ihr zu erklären, dass es sich ein bisschen anders verhält und deine Firma ihn nur druckt . Du bist ihr Vater, und sie liebt es, vor anderen Kindern damit zu prahlen, ihr Vater sei Mangazeichner.
Was sollst du ihr jetzt erzählen, nachdem der Quader des Omega Verlags dich ein für allemal ausgespuckt hat?
»Vorige Woche haben wir darauf gewartet, dass Sie uns die Zeichnungen schicken, damit wir sie einscannen können«, hast du zum Leiter der Grafikabteilung gesagt. Der murmelte aber nur irgendetwas von Verschiebung. Die Zeitschrift über Mangas erscheine nicht vor Februar. Wahrscheinlich. Genau wisse er das auch nicht.
»Und die Neuauflage der Krieger des Zodiac ? Sollte Ende des Jahres nicht der Band mit den ersten achtundzwanzig Episoden rauskommen?«
»Der … ist bereits im Druck.«
Leugnen wäre zwecklos. Neben dem Wasserspender steht ein ganzer Stapel, noch in Folie verpackt.
»Ach? Und wer druckt ihn?«, fragst du. Dann greifst du drei Exemplare, schmeißt sie auf den Tisch, als wäre es Altpapier, und blätterst hektisch darin herum. Du nimmst eine Lupe, die auf dem Tisch liegt, und betrachtest die Rasterung aus der Nähe. Nicht der geringste Moiré-Effekt, perfekte Kalibrierung, gestochen scharfer Druck.
»Hongkong«, sagt er. Du glaubst, nicht richtig verstanden zu haben, und wiederholst deine Frage.
»Hongkong.«
»Sie haben das Zeug in Hongkong drucken lassen? Das macht doch überhaupt keinen Sinn.«
»Und ob. Achthundertfünfzig Lire pro Exemplar bei einer Auflage von zwanzigtausend. Ausgeliefert nach vierzehn Tagen.«
»Nicht schlecht«, sagst du und fühlst, wie der Boden unter dir ins Wanken gerät, unter den Schuhen, die du vor dem Betreten des Quaders noch sorgfältig poliert hast. »Aber dann kommen doch noch die Transportkosten aus Hongkong und die Zollgebühren dazu …«
»Achthundertfünfzig Lire brutto.«
»Das gibt’s doch gar nicht.«
»Wir konnten es auch kaum glauben, als wir das Fax mit dem Kostenvoranschlag bekamen.«
»Hongkong? Ich bitte Sie! Seit sechs Jahren gehören Sie zu unseren Kunden. Seit die Reihe in Italien erscheint, haben wir sie gedruckt, auch schon für den vorigen Verlag in Bologna.«
Er gibt dir recht, hebt bedauernd die Schultern.
»Ich würde gern mit Dottor De Carlo sprechen.«
»Dottor De Carlo ist in den Vorruhestand getreten.«
Und hat dich nicht informiert. Wenn man bedenkt, wie oft du ihn auf Kosten von Aggradi zum Essen eingeladen hast. Keine Manieren.
»Dann möchte ich mit demjenigen sprechen, der jetzt hier das Sagen hat.«
»Das ist der BDX Verlag, die haben uns übernommen. Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen gern die Adresse.«
Und ob du möchtest. Der Typ zieht eine Schublade auf und reicht dir eine Visitenkarte.
»Die sitzen in Paris, hier steht auch die E-Mail-Adresse vom Sekretariat der Geschäftsführung drauf«, sagt er. Dann verabschiedet er sich und geht rückwärts auf die Tür zu, als hätte er dich im Verdacht, eine abgesägte Schrotflinte unter deinem Mantel zu verbergen.
Du stehst im Regen und wirst nass. Die Lastwagen rasen an dir vorbei. Eigentlich solltest du längst auf dem Heimweg sein. Dein Handy klingelt. Es ist schon wieder deine Frau.
»Mach’s kurz.«
»Hier gibt es so ein Angebot für Eurodisney. Drei Tage über den Brückentag an Dreikönig.«
Du weißt nicht, wo dir der Kopf steht vor lauter Ärger, und sie denkt an Micky Maus und Donald Duck.
»Sechshunderttausend Lire pro Person. Und das Hotel ist für die Kleine kostenlos.«
»Elisa, ich arbeite.«
»Ich wusste nicht, ob ich buchen soll.«
»Dann buchst du eben nicht.«
»Warum nicht?«
Weil, könntest du sagen, ein Umsatzplus von zwanzig Prozent inzwischen völlig unerreichbar ist. Selbst wenn es dir gelänge, fünfzig Volltrotteln einzureden, sie seien der neue Umberto Eco, könnte das nicht die Lücke füllen, die der Omega Verlag hinterlässt, wenn all die Mangas nun in Hongkong gedruckt werden.
Nicht in Turin, nicht in Rom. In Hongkong. Kann man sich so etwas vorstellen? Einer deiner treuesten Kunden lässt jetzt in Hongkong drucken …
»Elisa, musst du mich wirklich zwanzigmal am Tag anrufen, bei jedem Scheiß? Und dann noch vom Festnetz! Hast du zufällig die letzte Telefonrechnung gesehen?«
Die gesamte padanische Ebene hindurch klingelt dein Handy nicht mehr. Keiner will etwas von dir.
Der kleistergraue Himmel über der Windschutzscheibe scheint
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