Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
muss.
Zwischendurch beißt du an irgendeiner Tankstelle in ein Brötchen, während du deinen Spider mit bleifreiem Super befüllst. Der Spider ist nun dein Büro, und die meiste Zeit verbringst du am Telefon.
Auch Dottor Bellopede gehört zu den Kunden, die jeden Tag anrufen. Er versichert dir, einen juristisch unanfechtbaren Weg gefunden zu haben, euch ohne Ausschreibung das gesamte Auftragsvolumen für den Archäologiepark zuzuteilen. Großartig. Doch dann beschwert er sich, die Typen vom ConTesto Verlag wollten seine Abgründe etruskischer Jungfrauen um fünfzig Seiten kürzen. Was absolut inakzeptabel sei.
Du versprichst ihm jedes Mal, dort anzurufen, und tust es dann doch nicht. Das ist auch gar nicht nötig, denn meist ruft Augusto gleich anschließend an und empört sich über Bellopedes Arroganz. Der glaube, ein Meisterwerk geschrieben zu haben, akzeptiere nicht den geringsten Korrekturvorschlag und habe keine Ahnung, was es heißt, einen Text zu redigieren. Hast du genauso wenig, interessiert dich aber auch nicht. Du sagst einfach, fünfzig Seiten mehr oder weniger würden ConTesto wohl nicht in den Ruin treiben, und erinnerst ihn daran, dass man Bellopede auch noch ein schönes Vorwort versprochen habe. Mit dem Namen einer Koryphäe.
» Sie haben ihm das versprochen!«, brüllt Augusto.
»Das macht keinen Unterschied. In dieser Sache stecken wir gemeinsam drin.«
»Kein halbwegs vernünftiger Mensch würde auch nur eine Zeile über diesen Schund verlieren.«
»Entschuldigung, aber durch diesen Schund haben Sie und ich bald ein Problem weniger«, würgst du ihn ab, und bevor er zu einem neuen Angriff ausholen kann, setzt du nach: »Ich muss noch über etwas anderes mit Ihnen reden, Augusto. Ein Projekt, an dem ich sehr hänge.«
Das Projekt ist die konkrete Umsetzung von Magnanis Theorie.
Man verkauft keine Produkte, sondern Beziehungen. Kontakte.
Magnani wäre stolz auf dich, aber du verrätst ihm nichts davon. Nicht bevor du den Segen des Patriarchen und seines Thronfolgers in der Tasche hast.
»Hätten Sie das gedacht? Bei denen flattern im Monat hundertfünfzig Manuskripte ins Haus!«, übertreibst du vor Aggradi junior. »Hundertfünfzig. Im Monat! Alles Leute, die meinen, sie hätten ein Meisterwerk geschrieben, so wie Bellopede. Diese Leute sind bereit, gut dafür zu zahlen, dass ein seriöser Verlag ihnen das bestätigt. Und ConTesto ist ein seriöser Verlag. Ein Name, der für Qualität steht.«
»Ich habe mir Ihre Verkaufszahlen angesehen«, überrumpelst du die beiden Schwulen. »Geben Sie meinetwegen dem Fernsehen und der ausbeuterischen Regierung die Schuld, aber Ihr erfolgreichster Titel bringt es gerade mal auf dreihundert verkaufte Exemplare. Dreihundertsieben, um genau zu sein. Wie Sie sehen, bluffe ich nicht, also tun Sie es bitte auch nicht. Sie haben keine solide wirtschaftliche Basis. Ganz im Gegenteil, unter uns kann ich es ja sagen: Ihnen steht das Wasser bis zum Hals.«
Als Nächstes musst du Aggradi senior mit Zahlen überzeugen.
»Die Verleger von ConTesto möchten die Autoren nicht unverblümt zur Kasse bitten. Das finden sie unangemessen. Zumal ein von ConTesto ausgewählter Autor nicht verstehen würde, warum der Verlag für die Publikation seines Meisterwerks Geld verlangt. ConTesto wird daher allen Möchtegern-Umberto-Ecos einen kleinen Vortrag halten: schlechte Zeiten für die Kultur, ignorante Politiker, die Leute lesen nicht mehr, die Übermacht des Fernsehens und so weiter. Der Verlag sagt nicht, dass er Geld will, sondern dass er es braucht . Und bittet um einen Zuschuss zu den Herstellungskosten, um diesen ehrwürdigen Verlag, der einen so wichtigen kulturellen Beitrag leistet, am Leben zu erhalten, blablabla. Er gibt ihnen das Gefühl, nicht nur genial, sondern auch wohltätig zu sein, und geht eine persönliche Beziehung mit ihnen ein. Zuschuss zur Abfederung der Herstellungsrisiken werden sie es nennen. Klingt gut, oder? Vor allem aber klingt es wichtig . Hab ich mir selbst ausgedacht. Bekommt man da nicht richtig Lust zu blechen? Die Autoren zahlen, und Kasse machen wir, nicht ConTesto. Die erste Hälfte beim Imprimatur, die zweite bei Auslieferung.«
»Was Sie daran verdienen?«, fragst du Walter und zeigst auf eine Tabellenkalkulation, in Farbe gedruckt, damit es überzeugender wirkt. »Fünfunddreißig Prozent von jedem Zuschuss, den Ihre Autoren uns zahlen. Selbstverständlich verbleiben in den ersten Monaten sämtliche Eingänge bei uns, bis Ihre
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