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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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buche ich eine zehnminütige Webcam-Show und werde aufgefordert, fünfzig Euro auf ein PayPal-Konto zu überweisen. Als ich einen Beweis verlange, dass das Mädchen tatsächlich online ist, und zwar live, macht sie Ausflüchte, und ich breche das Ganze ab.
    Aus der Browserchronik suche ich mir die Profile heraus, die Laura öfters besucht hat, insgesamt fünf. Einer der Nicknames macht mich neugierig: Shaina. Studentin. Italienisch.
    Um kurz vor zehn geht Shaina online. Sie stellt gleich klar, dass sie keine Videos anbietet und auch keine Webcam-Shows. Sie schickt Fotos, mehr nicht. Ich antworte, dass für mich keine PayPal-Überweisungen infrage kommen. Nachdem sie erklärt hat, dass es für sie auch okay ist, wenn ich ihr das Handy auflade, kommen wir zu den eigentlichen Verhandlungen. Die Tarife entsprechen dem Standard: zehn Euro für die Titten, fünfundzwanzig für den Hintern, fünfzig für den kompletten Akt.
    Ich gehe aufs Ganze: vollständiges Nacktfoto von vorne. Wenn ich auch das unverhüllte Gesicht will, macht das allerdings sechzig Euro.
    Nein, nicht auch noch das Gesicht, denke ich. Die meisten Mädchen verbergen es, damit man sie nicht erkennt. Diese Shaina scheint absolut leichtsinnig zu sein, vollkommen durchgeknallt.
    Heathcliff : 60 ist ok.
    Bevor ich die Aufladung klarmache, verlange ich Beweise. Wer sagt mir denn, dass auf der anderen Seite nicht ein schwitzender Fettsack um die fünfzig sitzt? Dass ich nicht mit einer Fotomontage oder altem Zeug aus einem Bildarchiv verarscht werde? Shaina soll mir einen Screenshot ihrer Webcam schicken.
    Shaina : meinetwegen, kommt gleich.
    Heathcliff : warte … ich sage dir wie.
    Shaina : ???
    Heathcliff : sonst zählt es nicht.
    Shaina : ok.
    Heathcliff : schick mir deine hand mit armbanduhr. dann sehe ich, wie spät es ist.
    Eine knappe Minute später erhalte ich eine JPG -Datei in mittelhoher Auflösung, an die 200 KB groß. Grauer Hintergrund, eine Wand, der Rand eines Schreibtischs, alles vom Blitz erleuchtet. Mehr nicht. Das Mädchen ist vorsichtig.
    Die kleine grüne Kunststoffuhr zeigt zwanzig nach zehn. Am Handgelenk sehe ich eine helle, gerade Linie unter dem Ärmel hervorblitzen. Ich vergrößere das Foto auf maximale Bildschirmbreite und erkenne die kleinen senkrechten Einstiche einer erst kürzlich entfernten Naht. Eine Narbe. Mindestens zehn Zentimeter lang .
    Shaina : ok?
    Heathcliff : ok.
    Von wegen ok.
    Sie ist es wirklich.
    Dass die Pfanne mit dem Spaghettiklumpen gegen die Wand fliegt, merke ich erst, als es schon passiert ist. Ich ramme die Gabel in den Holztisch, verbiege den Stiel und brülle. Ich weiß gar nicht, was ich brülle. Dann klappe ich auf dem Tisch zusammen wie die Gabel. Keine Ahnung, wie lange ich so dasitze.
    Auf meinem Bildschirm erscheint eine neue Textzeile.
    Shaina : bist du noch da?
    Ich packe mein Notebook, reiße das Kabel aus der Steckdose, klappe es mit voller Wucht zu und halte es über meinen Kopf.
    Nach einer Minute bin ich so weit, dass ich das Notebook wieder auf den Tisch stellen kann. Ich beiße die Zähne aufeinander, als hätte ich Angst, sie könnten mir alle aus dem Mund fallen.
    Shaina : und????? sollen wir hier übernachten????????
    Heathcliff : sorry, probleme mit der verbindung …
    Ich frage diese Shaina nach ihrer Narbe. Hat sie sich verletzt?
    Shaina : was geht dich das an?
    Das war wohl keine gute Idee.
    Heatchliff : ok … deine nr. für die aufladung?

16
    M anchmal verändert sich das Leben an einem einzigen Tag. Das Problem ist nur mitzubekommen, an welchem. Meistens merkt man es erst, wenn dieser Tag längst vorbei ist.
    Nicht du, Furio Guerri. Du bekommst es sofort mit. Du hast einen Instinkt dafür.
    Weihnachten rückt näher, und du hast noch kein Geschenk. Unter dem Regen, der auf die östliche Peripherie von Mailand niederfällt, lehnst du an deinem Spider.
    Es würde dir schwerfallen, dem Himmel, der sich in der gläsernen Fassade des Neubaus gegenüber spiegelt, eine bestimmte Farbe zuzuordnen. Du hast den glänzenden Quader soeben verlassen und müsstest nun in dein Auto steigen, Richtung Süden rasen und den Apennin überwinden, zurück in die nach verbranntem Holz riechenden Hügel. Zurück nach Hause. Zu deiner Tochter und zu deiner Frau.
    Deine Tasche und das Album der Krieger des Zodiac hast du schon ins Auto gelegt. Die ersten achtundzwanzig Episoden in einem dicken farbigen Sammelband. Deine Kleine wird außer sich sein vor Freude. In ihrer Fantasie hat sie sich

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