Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
in der Hand auf dem Sofa bequem.
»Guckst du nicht mit?«
»Was guckst du denn?«
»Harry und Sally.«
»Der ist doch über zehn Jahre alt. Außerdem kennen wir ihn schon.«
»Ich weiß.«
Aber du, der Vertreter Furio Guerri, musst noch die Kundenbesuche der nächsten Woche vorbereiten. Irgendetwas entzieht sich dir, dem frisch gekürten Verkaufschef von Aggradi. Ein Hinweis, ein Zeichen, das dem Monster Furio Guerri nicht entgehen würde, denn im Allgemeinen liegt der Aufmerksamkeitsgrad eines Monsters weit über dem Durchschnitt.
»Furio«, ruft sie dir hinterher, als du schon auf dem Weg in dein Büro im Souterrain bist. Wieder das Alarmsignal deines Vornamens. »Sollten wir nicht mal miteinander reden?«
»Worüber?«
»Keine Ahnung, über alles Mögliche.«
»Alles Mögliche?«, sagst du. »Ich weiß nicht. Ich muss jetzt meinen Monatsabschluss schreiben. Vielleicht später.«
Zum ersten Mal stellst du deinen Monatsabschluss auch in Euro aus: dreitausendneunhundertfünfzig und einundachtzig Cent, um genau zu sein. Das hört sich viel weniger an als sieben Millionen sechshunderttausend Lire, aber in ein paar Monaten wirst du dich daran gewöhnt haben. Ist es das, was deine Freude über das gute Ergebnis deines ersten Monats als Verkaufschef dämpft? Oder ist es der Ärger mit Bellopede, der sich bereits am Horizont abzeichnet?
Dieser Mann ist blind vor Neid und will einfach nicht begreifen, dass die Partei von Berlusconi wenigstens in diesem Teil der Toskana keine Chancen hat. Sie wird bestimmt zulegen, aber nicht genug, um sich einen Sitz im Parlament zu sichern. Du wüsstest auch gar nicht, wie du seinem Kandidaten helfen solltest. Wenn die Ausschreibung angefochten wird, bist du erledigt. Und selbst wenn du ungeschoren davonkommen solltest: Bis eine Entscheidung fällt, wird das Ganze drei oder vier Jahre auf Eis liegen.
Du musst eine andere Lösung finden. Nachdem du die Talsohle in großen Schritten überwunden hast, wärst du allein dafür verantwortlich, wenn ein bereits in die Bilanz eingepreistes Geschäft verloren ginge. Für so etwas würden sie dir den Arsch aufreißen. Aggradi junior hat sich klar ausgedrückt: Wenn das Unternehmen wachsen soll, brauchen sie mehr Geld von der Bank, und mehr Geld von der Bank kriegen sie nur, wenn sie einen stetigen Gewinnzuwachs nachweisen können. Die Performance muss stimmen, sonst fliegt alles in die Luft.
»Wir sind zum Erfolg verdammt«, hatte er die letzte Sitzung beendet.
Caterina ist gleich eingeschlafen, nachdem sie den Löffel Hustensaft geschluckt und lustlos einen Teller Reis gegessen hatte. Ihr lasst sie auf dem Sofa liegen, der Fernseher läuft leise, dann schleichst du mit Elisa nach oben, Hand in Hand.
»Was ist, willst du nicht?«, fragst du deine Frau, als ihr im Schlafzimmer seid.
Sie murmelt etwas von schon, aber …
»Gut, wir reden zu wenig. Reden wir also. Ich wollte dir sowieso etwas sagen.«
Sie zieht die Jogginghose wieder hoch, lehnt sich gegen das Kopfende des Betts und schaut dich an, fast angriffslustig. Und du hast nicht die Absicht, sie zu verlieren.
»Weißt du was?«, sagst du. »Ich glaube, Caterina hätte gern ein Geschwisterchen.«
Caterina habe jetzt genau das richtige Alter, fährst du fort, es würde ihr sicher guttun.
Du zückst deine Januarbilanz und präsentierst Elisa die Zahlen deiner Performance . Schwarz auf weiß rechnest du ihr vor, dass ihr euch das leisten könnt, und euer Häuschen war von Anfang an für ein zweites Kinderzimmer ausgelegt. Du hast dich bis ins Rentenalter verschuldet, du musstest dir sogar den Vorwurf anhören, dich übernommen zu haben, dabei warst du nur vorausschauend. Ihr seid gerade einunddreißig geworden und im Vollbesitz eurer Kräfte. Warum also noch warten?
»Ich versteh schon, du wünschst dir einen Stammhalter«, sagt sie.
»Du nicht?«
Kein Einzelkind – so war es abgemacht. Du erinnerst sie daran, dass ihr euch schon damals einig wart, wenn ihr samstagabends in der Pizzeria die Zeit bis halb elf totschlagen musstet, weil deine Mutter um diese Uhrzeit in einen tiefen Schlaf sank.
Du hättest mehr Enthusiasmus erwartet. Dass sie ein Taschentuch aus der Kommode holt. Dass sie »Du bist mein Ein und Alles« sagt oder »Das wird wunderschön«.
Stattdessen fährt Elisa mit dem Finger eine Falte am Rand der Tagesdecke nach.
»Und?«, fragst du. »Jetzt reden wir, und du sagst keinen Ton.«
Ja, sie hätte schon auch gern einen kleinen Jungen, murmelt Elisa. Doch
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