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Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)

Titel: Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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Nacken.
    Sie öffnet die Augen, betrachtet ihre Finger. Ihr Nagellack scheint die Farbe gewechselt zu haben. Dunkelrot. Es ist Blut. Blut! Das kann doch nicht sein, denkst du, aber dann siehst du die geöffnete Schranktür.
    »Das war der Küchenschrank …«, wiederholst du noch einmal, als du eins dieser runden Pflaster suchst.
    Ihr seid in dem Bad im Erdgeschoss, Elisa beugt sich über das Waschbecken, und im Waschbecken sind ein Paar rote Tropfen zu sehen. Kleine Tropfen, streng genommen. Sehr klein.
    »Das war der Küchenschrank, genau die Türkante«, sagst du wieder.
    Elisa richtet sich auf, hält sich den Wattebausch in den Nacken.
    Als sie sich das Haar aus dem Gesicht streicht, siehst du ihre Tränen.
    »Du hast nach mir geworfen …«
    Du sagst, du seist so wütend gewesen, aber das hättest du nicht gewollt.
    »Du hast nach mir geworfen wie nach einem Hund«, schluchzt sie, in Tränen aufgelöst. Sie sieht aus wie ein Mädchen, das sich in einem überfüllten Bahnhof verlaufen hat. »Wie nach einem Hund!«
    »Das war der Küchenschrank!«
    »Wie nach einem Hund«, sagt sie wieder und wieder. Und weint. Elisa weint.

19
    I ch habe eine neue Nachricht von Shaina bekommen, das zeigt der blinkende Punkt an. Und für den Fall, dass ich den blinkenden Punkt nicht bemerke, weist noch ein durchdringendes nasales Klingeln darauf hin. Ich klicke auf das Symbol, damit es Ruhe gibt.
    Erneut packe ich mein Notebook und halte es mir über den Kopf. Schluss jetzt, das bringt mich doch kein Stück weiter.
    Ich lasse es wieder sinken. Langsam, wie jemand, der die Waffe aushändigt, mit der er fast eine Dummheit angestellt hätte.
    Dieser Mist wird erst ein Ende haben, wenn ich Laura das Foto zeige und zu ihr sage: »Hier, meine liebe Stützlehrerin, weißt du, wer Shaina ist? Sieh sie dir gut an, das ist deine Schülerin Guerri Caterina, das Mädchen, das sich den Arm an dem zerbrochenen Fenster aufgeschlitzt hat. Sieh dir das an, sieh dir nur mal an, was sie aus meiner Tochter gemacht haben!« Sind das die Werte, zu denen die sie erziehen wollten? Die sind schuld an ihren Problemen, an all ihren Problemen. Mit sechzehn verkauft sie Fremden im Internet Fotos von sich, um ihr Handy aufzuladen. Jetzt habe ich den Beweis, hier auf meinem Computer, dass man sie nicht diesen beiden beschissenen Heuchlern überlassen darf.
    Diesen Beweis muss ich allerdings erst einmal öffnen. Ich muss ihn mir ansehen. Jetzt.
    Vielleicht sollte ich vorher noch ein paar Tropfen nehmen. Fünf oder sechs.
    Die Dosierung ist alles.

    Shaina : aufladung ok … foto gesehen?
    Heathcliff : noch nicht.
    Shaina : ???
    Heathcliff : genieße die vorfreude.
    Shaina : hoffentlich gefällt es dir.
    Heathcliff : sicher.
    Ich klicke auf Shaina001.jpeg, schließe die Augen, schlage die Hände vors Gesicht.
    Auch ihr Gesicht wird zu sehen sein, denke ich in der Dunkelheit meiner Finger. Nicht nur ihr Körper.
    Nein, ich öffne es nicht.
    Wie viele Tage warte ich schon darauf, ihr Gesicht wiederzusehen? Tausende.
    Seit Jahren warte ich darauf, mich in ihrem Gesicht wiederzuerkennen, durch ihre Augen oder ihr Lächeln die Gewissheit zu erhalten, dass noch etwas von mir existiert in dieser Welt.
    Nie hätte ich gedacht, dass es eine so unerträgliche Demütigung sein würde, nie.
    Wie viel muss ich noch büßen, frage ich mich, wie viel? Dann nehme ich die Finger langsam weg.
    Zuerst sehe ich ihre Brüste.
    Zwei lilafarbene Kegel.
    Dann sehe ich einen gelben Gürtel, der locker um ihre Taille gebunden ist, über einem dunklen Body. Ihre Beine stecken in einer engen Gymnastikhose und Stiefeln mit hohem Schaft, die in einer Art Knieschützern enden. Die langen Handschuhe beginnen am Ellbogen und lassen ihre Finger frei. Schlanke Finger, die Nägel schwarz lackiert.
    In den grellen und kindlichen Farben des Bildes erkenne ich etwas Vertrautes wieder.
    Es ist das Poster von Shaina, das Caterina im Kinderzimmer über dem Bett hängen hatte. Knopfaugen, Puppengesicht, grüne Haarmähne.
    Die in Pegasus verliebte Priesterin des Krieges blickt herausfordernd in die Ferne.
    Das Gesicht unbedeckt, wie versprochen.
    Unter dem Foto steht etwas in einer Sprechblase geschrieben.
    Die Buchstaben sind klein und aneinandergequetscht, alles Majuskeln.
    DU WOLLTEST DOCH SHAINA??? HIER HAST DU SIE … OHNE MASKE, HAHA, DAS HÄTTEST DU WOHL GERN, DU DUMMES SCHWEIN …
    Dann wird die Schrift so klein, dass ich näher rangehen muss.
    HAHAHA, DU WILLST DEIN GELD ZURÜCK? OOOCH, DAS TUT

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