Vater. Mörder. Kind: Roman (German Edition)
scherze ich.
»Keine Angst, mein Lieber, so tief bin ich noch nicht gesunken, dass ich für ein paar Milliarden Spermien den Erstbesten um den Finger wickle.«
Sie lässt mir keine Zeit, beleidigt zu sein. Gestern habe eine Gruppe Schülerinnen ein Referat über Twilight gehalten, diese Vampirsaga, die bei Jugendlichen so angesagt ist. Caterina hat natürlich sofort wieder das Verhalten an den Tag gelegt, das Laura als »typische Auflehnung« bezeichnet.
Diese dämlichen Blutsauger finde Caterina einfach nur ätzend. Für sie sei Robert Pattinson ein Yuppievampir, der sich nur zu gern auslutschen lässt. »Na, aber bestimmt nicht von dir!«, habe eine Klassenkameradin zurückgegiftet.
Worauf meine Tochter fast vor die Tür gesetzt worden wäre, weil sie lautstark verkündete, dass diese Klassenkameradin den Typen sogar noch das Handy auflade, um ihnen einen blasen zu dürfen.
Ich muss herzlich lachen.
»Das findest du also lustig, ja?«, wirft Laura mir in ernstem Ton vor. »Meinst du nicht, dass diese dummen Gänse das Aufladen ihres Handys deutlich überbewerten?«
Ich stimme ihr zu, sie lacht mit, und wir reißen ein paar geschmacklose Witze, an denen der große Edo Magnani bestimmt seine Freude gehabt hätte. Nur, dass Laura eine Frau ist, und noch dazu die Einzige, die sich wirklich um meine Tochter kümmert.
Sie erzählt, dass Bella, die Protagonistin von Twilight , an einer Stelle von einer Figur namens Heathcliff spricht. Die Lehrerin habe gefragt, ob jemand sagen könne, wer das sei. Im allgemeinen Schweigen sei Caterina aufgestanden und habe angefangen, von dem Roman Sturmhöhe zu erzählen. Sie hatte ihn sogar im Rucksack, aus der Bücherei ausgeliehen.
»Ich war wirklich baff. Du hättest das Mädel mal hören sollen. Wer hätte das gedacht? Sie sagte, dieser Heathcliff sei großartig, ein Findelkind, das von seiner Adoptivfamilie verachtet und schlecht behandelt werde, aber er lasse sich nicht unterkriegen und zeige es allen, bis er am Ende alles besitzt.«
Das ist ja unglaublich, sage ich, doch gleichzeitig presse ich mir zwei Finger auf die Nasenwurzel, genau zwischen den Augen.
»Sie erzählte, Heathcliff wolle neben seiner Catherine beerdigt werden. Der Sarg solle an der Seite offen sein, damit er auch als Toter bei ihr sei. Du glaubst gar nicht, wie die anderen sie angeglotzt haben. Aber sie hat kaltschnäuzig erklärt, er liebt sie, und das hat mit Sex nichts zu tun.«
»Er liebt sie, und das hat mit Sex nichts zu tun«, wiederhole ich.
»Genau das hat sie gesagt.«
Ich ziehe die Nase hoch. »Nicht schlecht, was?«
»Die Italienischlehrerin war wie gelähmt. Sie hat mich angesehen, aber ehrlich gesagt, ist das gar nicht mein Verdienst. Keine Ahnung, was da passiert ist …«
Großartig, Caterina. Lass dich nicht unterkriegen und zeig es allen.
»Vielleicht ist es ja nur, weil die Hauptfigur so heißt wie sie«, wage ich mich vor.
Sie vermutet, es habe mit dem zu tun, was sie als kleines Mädchen durchmachen musste. Ich frage nicht weiter nach, und Laura wechselt das Thema. Sie könne sich gar nicht an solch makabre Szenen in Sturmhöhe erinnern.
»Doch, die gibt es«, versichere ich ihr.
»Ehrlich? Ich hab es vor Ewigkeiten gelesen.«
»Ich erst vor Kurzem.«
»Entschuldige, aber das musste ich irgendwem erzählen.«
»Schon in Ordnung. Ich freue mich. Für dich und für Caterina.«
Beim Namen meiner Tochter bricht mir die Stimme weg. Wie die Nadel auf einer Schallplatte, die aufhört, sich zu drehen. Laura ist nicht blöd und wird es mitbekommen haben, selbst am Telefon.
»Ich hab übrigens noch nie so viel von meiner Arbeit erzählt. Wenn ich jemanden kennenlerne, verrate ich beim ersten Treffen gar nicht, was ich beruflich mache.«
»Und beim zweiten?«
»Verrate ich es und werde für eine Art Krankenschwester gehalten. Zu einem dritten Treffen kommt es dann meistens nicht mehr.«
»Verstehe«, sage ich.
»Du bist die große Ausnahme«, sagt sie. »Du hast sofort kapiert, wie schwierig es mit Schülern wie Caterina sein kann.«
»Ich ahne es.«
»Und ich merke, dass du dich mit mir freust.«
Meine Tochter erwähnt ihre schulische Meisterleistung mit keinem Wort. Caterina will mehr über mich wissen, was ich so mache, wo ich bin.
Ich schreibe, in den letzten Jahren hätte ich in einem landwirtschaftlichen Unternehmen gearbeitet. Das sei sehr interessant gewesen, aber auch hart. Und nun würde ich stundenweise in einer Luxusferienanlage aushelfen, hätte aber genug
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