Vater, Mutter, Tod (German Edition)
runzelte die Stirn.
»Ich habe dir von ihr erzählt. Erinnerst du dich? Meine große Jugendliebe.«
Paulas Mimik spiegelte wider, dass sie inzwischen wusste, wen sie vor sich hatte.
»Stell dir vor«, fuhr René fort, »wir haben uns ganz zufällig getroffen, hier in Kleinmachnow, beinahe vor unserer Haustür.«
Paula reichte Jacqueline die Hand.
»Freut mich sehr, Sie kennenzulernen«, sagte sie.
»Mich auch.«
»Wieso trägst du denn eine Sektflasche bei dir?«, fragte René.
»Champagner«, korrigierte Paula und präsentierte das Etikett: »Veuve Clicquot.«
Jacqueline kannte die Marke nicht, interpretierte jedoch das Etikett und Paulas Tonfall als ›teuer‹.
»Gibt es was zu feiern?«, wollte René wissen.
»Oh ja«, entgegnete seine Frau freudestrahlend und drückte ihm die Flasche in die Hand, »wenn du sie öffnest, hole ich schon mal die Champagnerschalen.«
»Sie trinken doch ein Gläschen mit?«, wandte sie sich an Jacqueline.
»Gerne.«
Dass sie bereits auf dem Weg nach Hause sein wollte, hatte Jacqueline längst verdrängt.
Während René die Flasche entkorkte, entledigte sich Paula ihrer Handtasche und ihrer Aktenmappe und holte drei Champagnerschalen aus einem der Hängeschränke.
Sie gab eine an Jacqueline weiter und behielt die anderen beiden bei sich.
Ein verhaltener Knall ertönte, dann schenkte René ein.
Nachdem er die Flasche abgestellt hatte, reichte ihm Paula ein Glas.
»Du machst es ganz schön spannend«, sagte René zu seiner Frau. Paula hob ihr Glas und stieß zuerst mit René an, dann mit Jacqueline.
»›Le Mirage‹«, kommentierte sie geheimnisvoll das erste Klirren, mit »Santé« das zweite.
»Nein!«, sagte René ungläubig.
»Mais oui«, bestätigte Paula. Sie wirkte unauthentisch in ihrer Theatralik, und Jacqueline fühlte sich davon beeindruckt und gleichzeitig abgestoßen.
»Ich verstehe nicht«, meinte sie und nippte an ihrem Glas.
»Schönefeld«, erklärte René. »Es gab eine Ausschreibung für ein Nobelhotel auf dem Flughafengelände. Ich hatte dir doch erzählt, dass Paula in einem Architekturbüro arbeitet? Jedenfalls soll das Hotel ›Le Mirage‹ heißen. Und wie es aussieht, hat sich die französische Investorengruppe für ›Vogt & Hall‹ entschieden. Sehe ich das richtig, Paula?«
»Correctement, mon cher.«
Jacqueline merkte Paula an, dass sie sich unwohl fühlte in der kleinen Show-Einlage, zu der sie sich hatte hinreißen lassen.
In einem Tonfall, den Jacqueline als geschäftsmäßig und belehrend empfand, erklärte Paula: »Ich bin bei ›Friedrich Vogt & Simon Hall‹ beschäftigt. Das ist ein kleines, aber äußerst renommiertes Büro in der Friedrichstraße. Das ›Le Mirage‹ soll das exklusivste Hotel werden, das im Nahbereich des BBI angesiedelt wird. Ich habe bei der Planung mitgewirkt.«
»Mitgewirkt? Du hattest die Leitung!«
»Heute Morgen kam der Anruf aus Paris«, fuhr Paula fort, ohne auf die Anmerkung Renés einzugehen. »Es werden kleine Nachbesserungen gewünscht, aber der Auftrag ist definitiv erteilt.«
»Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe.«
Erneut klirrten die Gläser.
Jacqueline schloss sich der Gratulation an, etwas leiser und etwas weniger enthusiastisch als René.
»Herr Vogt hat mir höchstpersönlich gratuliert. Er hat dabei sogar gelächelt.«
Aus Renés Gesichtsausdruck zu schließen, schien das tatsächlich eine Bemerkung wert gewesen zu sein.
»Und Simon«, Jacqueline fiel auf, dass Paula den Namen stets englisch aussprach, »zauberte sofort den Veuve Clicquot hervor. Keine Ahnung, wie er das arrangiert hat. Und ich habe mich sogar dazu hinreißen lassen, daran zu nippen.«
»Meine Frau ist sehr prinzipientreu«, erklärte René Jacqueline. »Kein Alkohol während der Arbeit. Dienst ist Dienst.«
»Heute habe ich mal fünfe gerade sein lassen. Meine Mutter wird’s mir verzeihen.«
Paulas Tonfall veränderte sich: »›Contenance, Paula. Das Wichtigste im Leben ist, immer die Contenance zu wahren.‹«
Paula kicherte über sich selbst und René grinste.
»Manchmal muss eben doch auch Zeit sein, um zu feiern«, ergänzte Paula.
Je mehr sich Paulas Champagnerschale leerte, desto stärker wurden ihre Wangen durchblutet.
Ihr Lachen empfand Jacqueline als unangenehm und Paula erinnerte sie – auch wegen ihrer roten Haare – immer mehr an eine Hexe.
Dennoch spürte Jacqueline Neid. Und sie ärgerte sich darüber, als sie sich dessen bewusst wurde.
»Alles klar, Jacqueline?«, riss
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