Vater, Mutter, Tod (German Edition)
endlich alle Buchstaben für deinen und meinen Namen, Mama.«
LUKAS stand in Großbuchstaben auf dem Blatt zu lesen, darunter PAULA .
»Morgen frage ich nach ›René‹, Papa.«
»Das hast du aber toll gemacht, Lukas«, lobte Jacqueline, »ich habe übrigens auch einen kleinen Sohn, er heißt Robin.«
»Ich bin nicht klein.«
»Entschuldigung, natürlich nicht. Vielleicht könnt ihr ja mal zusammen spielen?«
Sie stellte sich die beiden Jungen in Lukas’ Kinderzimmer vor, das ihr René vorhin gezeigt hatte.
»Wie alt ist der denn? Ich bin schon sieben.«
Lukas reckte seine Hände nach oben, zählte dann seine Finger ab und zeigte sie Jacqueline.
»Robin ist auch sieben.«
»Ist er auch in der ersten Klasse?«
»Ja.«
Lukas wandte sich an Paula: »Darf ich mit ihm spielen?«
»Mal sehen«, sagte Paula. »Jetzt räum’ schön deine Sachen hier weg, damit wir nachher essen können.«
»Ich wollte nur noch das Bild vom Rummel zeigen.«
Er kramte eine Zeichnung aus seinem Ranzen, die – mit viel Phantasie – einen Erwachsenen, ein Kind und drei Bären vor einem Riesenrad zeigte.
»Da gehe ich mit Papa hin.«
»Aber erst musst du noch ein paar Mal schlafen«, zügelte René die Vorfreude seines Sohnes. »So, und jetzt wird endlich aufgeräumt.«
Paula half Lukas, seine Schulsachen wieder im Ranzen zu verstauen. Dann schulterte Lukas ihn und trottete aus dem Zimmer hinaus und die Treppe hoch.
»Ein toller Junge«, sagte Jacqueline, »und er sieht dir so ähnlich, René.«
»Ach, ja? Die meisten behaupten, er käme nach seiner Mutter.«
»Und ihr vertraut ihn einfach einer …«, Jacqueline machte eine Pause, suchte nach einer unverfänglichen Formulierung, »… fremden Frau an?«
»Du meinst Ayse? Sie ist ausgebildete Erzieherin und steht kurz vor dem Abschluss ihres Studiums. Eine starke Frau. Finanziert sich alles selbst.«
Jacqueline ließ sich die Scham über ihre Vorurteile nicht anmerken.
»Möchten Sie mit uns zu Abend essen?«, fragte Paula, und Jacqueline zuckte augenblicklich zusammen.
Siedend heiß fiel ihr Thorsten ein. Zu lange schon ließ sie ihn warten. Er würde wütend sein.
»Was ist mit dir? Du wirkst so blass. Möchtest du dich setzen?«
»Nein, René. Alles in Ordnung. Danke für die Einladung, Frau Adam, aber ich muss los. Mein Mann und mein Sohn haben ja auch Hunger, zu Hause.«
»Du hast mir noch kaum was von dir erzählt. Wie du lebst. Was du arbeitest. Über deinen Mann. Über Robin.«
René wirkte enttäuscht.
»Ein anderes Mal.«
»Versprochen?«
»Ja, klar.«
»Weißt du was? Du kommst einfach mal mit deinem Mann zu uns zum Essen. Dann können auch Lukas und Robin miteinander spielen. Was hältst du davon?«
Jacqueline konnte sich Thorsten in dieser Kulisse nicht vorstellen. Sie wollte nicht, dass die Adams ihn kennenlernten.
»Eine gute Idee«, sagte sie dennoch.
»Ich gebe dir einfach eine Visitenkarte.« René griff in die Innentasche seines Jacketts. »Die Rufnummer ist die vom Büro. Aber sag meiner Sekretärin einfach, dass es privat ist, damit sie dich auch sofort durchstellt. Dann vereinbaren wir einen Termin, ja?«
Einen Termin – wie geschäftsmäßig, dachte Jacqueline abfällig und nickte.
Ihr Blick fiel auf das Sideboard, wo neben dem Kerzenständer die Broschüre über das Symposium lag, zu dem Paula geladen war.
Zu gerne hätte sie einen Blick hineingeworfen.
Während René und Paula die Champagnerschalen zur Spülmaschine trugen, steckte sie das Heft rasch in ihre Handtasche. Gleich auf der Nachhausefahrt würde sie ihre Neugierde befriedigen.
Die Adams geleiteten sie zur Haustür.
»Es hat mich wirklich sehr gefreut, dass wir uns wiedergetroffen haben«, verabschiedete sich René.
»Mich auch. Nach all den Jahren. Ich kann es immer noch kaum glauben.«
»Auf Wiedersehen, Frau …«, Paula stutzte und sah Jacqueline fragend an.
»Hinz«, vollendete Jacqueline den Satz.
Im Hintergrund sah Jacqueline, dass Lukas die Treppe hinunterstieg.
Ohne dass seine Eltern ihn dazu auffordern mussten, trat er zu den drei Erwachsenen und verabschiedete sich ebenfalls von ihr, höflich, wohlerzogen. Jacqueline war ein weiteres Mal beeindruckt und lächelte ihm freundlich zu.
Dann ging sie, vorbei am Carport der Adams, in dem sich zu dem silbernen Mercedes ein roter gesellt hatte.
Den Gedanken an Thorsten versuchte sie zu verdrängen.
31. Kapitel
Sechs Tage vor der Katharsis
J acquelines Füße schmerzten.
Nachdem sie den Waggon
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