Vater sein dagegen sehr
triumphierend.
»Hast du gehört, Onkel Lutz?« kicherte Traudl belustigt. »Er heiratet einen Konditor. Der ist ja so blöd! Der weiß noch nicht einmal, daß er höchstens die Frau von einem Konditor heiraten darf. O mei', ist der Bub deppert!«
»Ihr alle beide seid kluge Kinder. Auch der Rudi weiß schon, was er will, und er weiß auch, daß man in der Wahl seines
Schwiegervaters vorsichtig sein muß, wenn man schon in der Wahl seiner Eltern leichtsinnig war. Metzger ist nicht schlecht, und Konditor ist sehr gut, und Hotel ist eigentlich am besten; da hat man nämlich alles schön beieinander, die Speisekarte und auch die Getränke.«
»Einen Wirt hätt sie nie geheiratet, hat die Mutti gesagt. Da stehst als Frau von der Früh bis auf die Nacht in der Kuchel, und hast einen Mann, der kartel tut und säuft.«
»So, so!« murmelte Lutz überrascht über so viel gutes Gedächtnis und praktische Lebensweisheit. »Ich habe allerdings auch weniger an einen Gastwirt als an die Tochter dieses Herrn gedacht.«
»O mei', bis der Rudi so weit ist, hat's noch lang Zeit.«
»Ja, allerdings«, murmelte er, »beim Rudi schon!« —
Was für ein Gespräch! — Er hatte sich seit Jahren mit Kindern nicht mehr unterhalten und machte sich auch keine Vorstellung davon, was ein Mädel von elf Jahren und einen Buben von sieben bewegen mochte. Er verfiel immer wieder in einen Tonfall, von dem er merkte, daß er durchaus unangebracht war. Natürlich, sie waren keine Erwachsenen, sein Neffe Rudi und seine Nichte Traudl, aber er spürte, daß sie schon ihre eigenen Gedanken hatten und daß sie ernst genommen zu werden wünschten. Es war an der Zeit, daß er sich — zum mindesten Traudl gegenüber — umstellte, die albernen Fledermausscherze unterließ und sich mehr wie ein Erwachsener benahm.
Sie brachten, heimgekommen, Rudi sogleich ins Bett. Er schlief schon halb, als er sich die Schuhe auszog, und kam mit seinem Nachtgebet gerade noch bis zum »schließe meine Augen zu«, dann verlor sich seine Stimme zu einem undeutlichen Gemurmel; aber es war anzunehmen, daß Gott ihm seine Schuld auch ohne die besondere Bitte darum vergeben würde. Traudl wartete noch ein paar Minuten ab, dann legte sie die Bubenkleider ordentlich auf einen Stuhl, stellte die Schuhe vor die Tür in den Laden und räumte das Teegeschirr vom Nachmittag ab. Während sie die Tassen und Teller an der Wasserleitung kalt abspülte, ließ sie den Bello Gassi gehen und gestattete es Lutz, den Hund vor die Tür zu begleiten. Er ging mit dem Hund bis zu den Bäumen des Stadtparkes, ließ ihn seine Geschäftles erledigen und glaubte, als er zurückkam, Traudl im Bett zu finden. Aber sie war noch auf und warf dem Bello die aus dem Lamm mitgebrachten Knochen als Betthupferl vor.
»Wenn du noch einen Tee magst, Onkel Lutz. Die Mutti hat abends immer noch eine Tasse Tee getrunken. — Aber wenn dir eine halbe Bier lieber ist als das Geschlamps, nachher hol ich dir gern eine Halbe vom Unterwirt, es ist nur über die Straße zu laufen. Die Mutti hat manchmal auch eine Halbe getrunken, aber dunkles, weil sie sagte, daß sie dann besser schlafen könnt.«
»Danke schön, Traudl«, er lächelte ihr zu und spürte eine wärmende Flamme in seinem Herzen, »du bist sehr nett zu mir; aber ich meine, daß es besser ist, wenn du dich jetzt hinlegst, wie? Ich werde noch eine kleine Weile lesen.« —
»O mei', ich fürcht', daß ich doch nicht schlafen kann.«
»Na, na!« machte er und bewegte den Kopf hin und her.
»Weißt, Onkel Lutz, wegen all dem...« Sie suchte nach Worten, die sie nicht fand, und machte eine vage, undeutliche Handbewegung. Und plötzlich sah Lutz mit Bestürzung, daß ihre mageren schmalen Schultern zuckten und daß ihr Tränen aus den Augen stürzten, Tränenbäche, die wie kleine Quellen förmlich zwischen den dichten dunklen Wimpern hervorspritzten.
»Nanananananana!« murmelte Lutz hilflos und zog Traudl an sich heran und preßte den kleinen, schluchzenden Körper an seine Brust. »Nicht weinen, kleines Mädchen — oder wein dich aus, wenn es dir hilft, mein kleines Herz.«
Armes Ding, begriff sie plötzlich, was eigentlich geschehen war? Hatte sie es plötzlich erfaßt, daß es nun mit den abendlichen Teestunden vorbei war, und vorbei auch damit, daß sie ihrer Mutter eine Flasche Bier holen, daß sie noch ein wenig bei ihr sitzen und ihre kleinen Sorgen vor ihr ausschütten durfte, während sich der Bub droben in seinem Bett im Schlaf
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