Vater sein dagegen sehr
Frau Roeckel und lobte Herrn Roeckel dafür, daß er seiner Frau gefolgt war. Denn selbst wenn man mit der Heimkehr Hermann Luedeckes nicht rechnete, bedeuteten die Einnahmen des Ladens eine schöne Beihilfe für die Kinder. Nun, und wenn Luedecke noch lebte und eines Tages zurückkehrte, dann war er gewiß in einer körperlichen Verfassung, die es ihm kaum erlauben würde, sofort seinen alten Beruf wiederaufzunehmen. Und ob zudem die Nachfrage nach Diplomingenieuren in seinem Fach sehr groß war, ließ sich auch bezweifeln. Wahrscheinlich lagen genug davon auf der Straße.
»Gell, mir san reich!« bemerkte der Rudi, der dem Gespräch der Männer sehr aufmerksam gefolgt war, zu seiner Schwester.
»O mei', was sind schon hundert Markl, wenn am ersten der Kassier vom Gas und Licht kimmt und der Mietzins, und die Versicherung und 's Finanzamt!«
Lutz fuhr zusammen. Bis auf die kleinen Färbungen des Dialektes hatte er die deutliche Vorstellung gehabt, die Stimme seiner Schwester zu hören. Er erhob sich. Für die Kinder wurde es Zeit, schlafen zu gehen. Sie sammelten die Knochen für den Bello von den Tellern und verabschiedeten sich von Herrn Roeckel, dem das Bier »sakrisch« gut schmeckte und der entschlossen zu sein schien, sich die seltene Gelegenheit stiller Trinkerfreuden nicht entgehen zu lassen. Vielleicht brauchte er auch ein wenig Mut für die nächtliche Begegnung mit seiner Gattin. Sie verabredeten, sich am nächsten Morgen gegen acht Uhr in der Wohnung zu treffen, und dann verließ Lutz mit den Kindern das Lokal. Es war natürlich noch nicht seine Schlafenszeit, aber er tröstete sich mit dem Gedanken, daß ihm notfalls die ganze Leihbücherei zur Verfügung stand, um die nächsten Stunden zu überstehen. Die Kleine hängte sich bei ihm ein, und der Bub hüpfte, vom ungewohnten Biergenuß aufgemöbelt, munter neben ihm her.
»Wie heißt das, wo du wohnst, Onkel Lutz?« fragte Traudl.
»Hallfeld. Es ist eine kleine Stadt, mit einer alten Mauer und vielen alten Tor- und Wachttürmen rundum. Und in einem von diesen alten Türmen wohne ich.«
»Uiii — in einem Turm, ganz hoch?«
»Nein, nicht höher als sonst im ersten Stockwerk eines Hauses. Aber über mir stehen noch zwei oder drei Stockwerke hoch mächtig dicke Mauern mit schmalen Fensterschlitzen. Jedoch darf man da nicht hinaufklettern. Da hängen die Fledermäuse in dicken Trauben an den Balken. Nur wenn ich einmal nichts zu essen im Hause habe, dann klettere ich hinauf und hol mir ein Dutzend davon herunter und brat sie mir. Schmecken wie gebratene Tauben, ganz genauso. Na, ihr werdet es ja selber merken.«
»Naaa!!« stießen die Kinder entsetzt hervor.
»Wirklich, genau wie gebratene Tauben. Und wenn man etwas Petersilie herantut und sie im Rohr schön mit Butter einpinselt, dann sind sie von jungen Hühnern überhaupt nicht zu unterscheiden.«
»Du — Traudl«, wisperte der Bub, »i moan allweil, der derbleckt uns, der Onkel Lutz, ha?«
Lutz ließ es ungewiß bleiben, ob er nur scherzte. Tatsache war, daß er nach seinem Einzug im Turm, als es ihm schlimmer als schlimm ging, manchmal mit dem Gedanken gespielt hatte, seine geflügelten Untermieter als Ragout zu versuchen. Schlimmer als die Leckereien, die sie sich im Lager bei Le Havre gekocht hatten, bevor die Amerikaner eingriffen, konnten diese braven Tierchen auch nicht sein. —
»Du, Onkel Lutz, du schreibst Geschichten, gell?« fragte Traudl, und ihre Frage schien aus der naheliegenden Verbindung mit dem Fledermausbraten zu kommen.
»Woher weißt du das?«
»Die Mutti hat es uns erzählt, daß du ein Schriftsteller bist, der wo Geschichten erfindet.«
»Und die Tante Ulrike hat gesagt, die Geschichten, die wo du schreiben tust, möcht sie mal kennenlerna«, ergänzte der Rudi.
»Schreibst du solche Geschichten wie >Heidi< und >Gritlis Kinder< und >Gullivers Reisen«
»Ja, so ähnliche Geschichten«, murmelte Lutz.
»Und da kriegst du ein Geld dafür?«
»Ja — natürlich, wenn sie gedruckt werden.«
»Kriegst du viel Geld?« fragte Traudl zäh.
»Tscha«, antwortete Lutz, »wie man's nimmt.«
»Ich meine schon auch, daß es ein rechtes Gefrett ist«, meinte die Kleine mit einem Seufzer, »halt wie bei uns mit den Büchern. Die Mutti hat auch immer gesagt, a Metzgerei müßt ma haben oder eine Droscherie.«
»Ja«, stimmte Lutz bei, »wenigstens nebenher!«
»Ich heirat amal einen Metzger!« sagte die Traudl.
»Und i heirat an Konditor!« sagte der Bub
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