Vater sein dagegen sehr
Anstrengung mit dem rechten Auge.
»... sie heißt Margot, und wir kennen uns schon seit einigen Jahren. — Und ich glaube, daß es mir sehr, sehr schlecht gegangen wäre, wenn sie mir in den schlimmen Zeiten, als man sich sogar für sein sauer verdientes Geld nichts kaufen konnte, nicht immer wieder geholfen hätte. Mit Lebensmitteln, und Kaffee, und Mehl, und Fleisch.«
»Gel, die ist mit'n Ami gegangen«, stellte Traudl fest.
Lutz biß die Zähne zusammen und schluckte . —
»Weil die, wo mit die Amis gehen, alles haben«, erläuterte Traudl sachkundig; »zu uns in den Laden kommt auch allweil eine, die wo mit 'nem Ami geht, und die hat der Mutti immer Kaffee gebracht, und Zucker und Kornettbief.«
»Nein«, sagte Lutz und schüttelte energisch den Kopf, »so ist das bei meiner Margot nicht. Deren Eltern haben ein großes Hotel.«
»Oeha!« stieß die Kleine überrascht hervor und stemmte die dünnen Arme in die Seiten. »Ein Hotel! Da schau her!«
»Ja, so ist das«, murmelte Lutz; »nun ja, ich kann es dir ja ruhig verraten: ich will die Margot demnächst heiraten.« — Er wußte nicht weiter. Wie sollte er es dem elfjährigen Mädel erklären, daß eine junge Frau schließlich eigene Kinder haben will und es nicht gerade gern sieht, wenn der Mann schon zwei Kinder und überdies noch einen Hund von zweifelhafter Rasse in die Ehe mitbringt? Er suchte krampfhaft nach den passenden und ihrem Verstand angemessenen Worten.
»Ah so! I versteh schon! Die bringt a Gerschtl mit, ha?« fragte Traudl lauernd.
Er sah sie groß an: »Wie meinst du das? Ich verstehe deinen Ausdruck nicht.«
»I moan, dö hat hier woos!« antwortete die Kleine und rieb den Daumen gegen den Zeigefinger.
»Wie kommst du darauf?« fragte er betroffen und zog die Augenbrauen zusammen.
»Na, ich mein halt, wenn du schon nix hast, nachher muß sie doch a Geld haben, wenn du sie heiraten tust.« —
Das war eine Logik, gegen die sich nichts sagen ließ.
Lutz stand auf, er erhob sich ziemlich unvermittelt, er schneuzte sich laut und umständlich und ging zur Wasserleitung, drehte den Hahn auf, ließ das Wasser ein paar Sekunden lang laufen und trank dann direkt von der Leitung weg. Es lief ihm unangenehm kalt in den Kragen und durch den Kragen erschauernd bis auf die Brust.
Dieser Fratz! Dieser Mistfratz! Dieses kleine Biest! Diese verdammte kleine Hexe! Er drehte sich um und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
»Nein«, sagte er lauter, als er zu sprechen beabsichtigt hatte und als es in Rücksicht auf den schlafenden Rudi notwendig war, »wenn du vielleicht denkst, daß ich die Margot wegen ihrem Gerstl heirate, wie du es nennst, dann irrst du dich. Sie ist ein feiner, anständiger Kerl, ein tadelloser Kamerad, eine Frau, die mit einem durch dick und dünn geht, verstehst du!«
Traudl hüpfte von ihrem Hocker herunter und begann, ihre Schuhbänder aufzuknüpfen. Ihre langen Beine staken wie zwei Hopfenstangen in den derben Rindlederschuhen.
»Na, ich werd sie ja sehen, deine Margot«, sagte sie abwartend. Ihre Stimme schien aus großer Tiefe zu kommen. Lutz ging in den Laden, derweil sie ihre Kleider ablegte und ins Bett schlüpfte. Er strich an den Buchreihen entlang, fuhr mit dem Zeigefinger über die Bücherrücken, als klappere er mit einem Spazierstock an einem Staketenzaun entlang, aber er tat es mit abwesenden, blinden Augen.
Irgend etwas hatte ihn getroffen. Bis ins Herz hinein.
F Ü N F T E S K A P I T E L
Zwei Tage später, an einem sonnigen, aber kühlen Morgen, stand Lutz mit den beiden Kindern, dem Spitz Bello, zwei großen Koffern und einem schwerbeladenen Rucksack, einer Aktentasche voller Butterbrote und Bierflaschen mit Tee und Milch und einhundertdreiundachtzig Mark in der Brieftasche bei Siegsdorf auf der Autobahn und wartete, nachdem siebzehn Lastkraftwagen unbarmherzig vorübergefahren waren, auf den achtzehnten und die folgenden. Die Berge im Süden hüllten sich in durchsichtige milchige Schleier, die Birken in den moorigen Gründen leuchteten weiß herüber, und um das Netzwerk ihrer Zweige spielte ein zartgrüner Schimmer, der das Nahen des Frühlings ahnen ließ.
Die Roeckels waren bereits am Abend des Vortages heimgefahren, nachdem es Lutz und Friedrich Roeckel gelungen war, alle amtlichen Besorgungen im Verlauf des Tages zu erledigen. Fräulein Weißärmel, die die Leihbibliothek und das Zimmer dahinter als Treuhänderin übernommen hatte, machte sogar auf Frau Ulrike Roeckel einen so
Weitere Kostenlose Bücher