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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Wegstrecke ratlos zwischen ihren Onkeln und der entschwundenen Tante standen, zerrte es hin und her, der Bub drängte zum Hotel hin, während es das Mädel mehr zu den Männern zog.
    »Alsdann essen wir allein!« sagte Herr Roeckel unbeirrt und setzte sich in Bewegung. »Meine Alte ist ohnehin dick genug und jammert mir andauernd die Ohren voll, sie müßte zehn Pfund abnehmen. Ich sag ihr immer: Friß die Hälfte.«
    »Ich an Ihrer Stelle würde heute nacht vielleicht doch lieber ein Einbettzimmer nehmen«, sagte Lutz gedankenvoll.
    »Ich?! Da kennen Sie aber den Herrn Roeckel schlecht, mein lieber Mann! Dafür kennt mein Ulrikchen mich um so besser. Wissen Sie, bei mir dauert es immer verdammt lange, bis der Kessel mal platzt. Aber wenn er dann platzt, dann rauscht es in der Luft, das kann ich Ihnen nur sagen. Und das weiß meine Ulrike ganz genau.« — Er legte Lutz seine schwere Hand vertraulich auf die Schulter: »Damit wir uns richtig verstehen, werter Herr: die schlechteste ist die geborene Luedecke nicht, wenn sie es auch verdient, daß man ihr ab und zu das Ventil nachstellt. Ein Maul wie ein Henkerschwert, zugegeben! Aber sonst, als Hausfrau kann ihr keine an den Wimpern klimpern. Wenn Sie bei der mal Kasseler Rippenspeer mit Sauerkraut essen, da nehmen Sie den Hut ab, die Garantie gebe ich Ihnen!« Er zog Lutz am Ärmel näher zu sich heran: »Wissen Sie, was der Frau gefehlt hat?«
    Es war wohl nur eine rhetorische Frage, die keine Antwort verlangte.
    »Ein halbes Dutzend Kinder«, fuhr Roeckel fort, »denen sie den Rotz von der Nase hätte putzen müssen. Jetzt verpäppelt sie ihre Goldfische und wienert die Fußböden.«
    »Ja, Mann Gottes, weshalb haben Sie dann keine Kinder, wenn Sie wissen, wo es Ihrer Frau fehlt?« fragte Lutz ein wenig angerührt, denn irgendwie gefiel ihm dieser Mann.
    Friedrich Roeckels Blick trübte sich: »Das wissen nicht einmal die Doktoren, und wie soll ich's da wissen. Und jetzt ist es ohnehin zu spät, denn meine Ulrike hat immerhin ihre dreiundvierzig Jahre auf dem Buckel.« Er ließ die großen Hände ergeben sinken. Die Kinder kamen ihnen entgegen.
    »Was fehlte der Tante?« fragte Traudl nicht allzu besorgt.
    »Nichts Besonderes«, antwortete Friedrich Roeckel, »ihr war nicht ganz gut. Das hat sie manchmal.«
    Wenn Lutz insgeheim vielleicht gehofft hatte, im Lamm Kinderportionen mit einem Preisnachlaß bestellen zu können, so hatte er sich getäuscht. Das fadendünne Mädel wischte den Soßenrest des Ochsenkrons mit einem Stück Brot aus dem Teller, und der Bub sah sich nach seiner nicht eben kleinen Schweinebratenportion mit zwei Semmelknödeln so deutlich nach etwas zu essen um, daß Lutz ihm noch die Hälfte seines Schnitzels mitsamt dem Kartoffelsalat hinüberschob, und der Rudi wurde auch damit fertig. Er fühlte sich als Mann unter Männern, besonders, als ihm Herr Roeckel gestattete, aus seinem Halbliterkrug ab und zu einen kleinen Streifen zu trinken. Bei Tisch erfuhr Lutz, daß Roeckel schon im Laufe des Vormittags vieles erledigt hatte, was der Regelung bedurfte. Unter anderem hatte er dafür Sorge getragen, daß der Laden ohne Unterbrechung bereits übermorgen weiterlief. Ein älteres Mädchen, das Hertha bisher aushilfsweise beschäftigt hatte, war bereit, die Leihbibliothek gegen ein geringes Monatsgehalt weiterzuführen, wenn ihr das Hinterzimmer als Wohnraum zur Verfügung gestellt wurde. Eine flüchtige Überprüfung der Bücher und Steuerzettel hatte ergeben, daß nach allen Abzügen den Kindern ein monatliches Durchschnittseinkommen von etwa hundert bis hundertzwanzig Mark verblieb. Nun, das war herzlich wenig, aber es war doch besser als nichts und auf jeden Fall mehr als das, womit Lutz bis dahin gerechnet hatte. Roeckel erwähnte, daß er selber dafür plädiert hätte, den Laden zu verkaufen.
    »Wissen Sie, die Käufer waren schon da, als die Hertha noch nicht richtig kalt war. — Und dann war es eigentlich Ulrike, die sich gegen den Verkauf sträubte. >Friedrich<, sagte sie, >denk daran, daß hundert Mark im Monat kein Spatzendreck sind, und denk auch daran<, sagte sie, >daß der Vater von den Kindern< — ihr Bruder Hermann — >eines Tages vielleicht doch noch zurückkommt. Und dann hat er wenigstens ein Dach überm Kopf und eine Existenzgrundlagen — Na ja, man kann daran glauben oder nicht, daß er noch mal zurückkommt. Ich halte es für ausgeschlossen. Aber man hat ja schon Pferde kotzen sehen.«
    Lutz lobte den klugen Ratschlag von

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