Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
haben wir mehr Glück als Verstand! Das ist ja fabelhaft!«
    Der »Mann Gottes« kniff die Augen mißtrauisch zusammen und machte ein Gesicht, als hätte er in eine unreife Zitrone gebissen: »Also Sie wenn koa Preiß net san, freß i an Besn!«
    »Ich bin nur der Onkel von den Kindern«, erklärte Lutz und schluckte den aufsteigenden Ärger hinunter; »es sind die Kinder meiner Schwester — sie ist vor ein paar Tagen gestorben —, und der Vater ist in Rußland vermißt. Aber wenn es Sie beruhigt, lieber Freund — die Kinder sind in Bayern geboren und aufgewachsen!«
    »So, so«, sagte der andere und legte den Kopf schief auf die Schulter, »in Bayern geboren und auf gewachsen. — Ja, meinen denn Sie, wenn eine Katze im Fischladen Junge kriegt, nachha sans Kieler Sprotten, ha? — Aber jetzt steigens auf«, er hob den Buben in den Führersitz und kletterte hinterdrein. Lutz ließ sich schnaufend auf eine Ladung von Getreidesäcken fallen, auf denen Traudl bereits Platz genommen hatte. Die Kleider klebten ihm am Körper, er wischte sich den Schweiß von Hals und Gesicht und zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an.
    »Ich mein, Onkel Lutz, es hätt' vielleicht schon eher einer gehalten, wenn du ein wenig Bayrisch lernen tätst«, wisperte Traudl ihm zu, als befürchte sie, man könne sie vorn hören.
    »Quatsch«, brummte er leicht verstimmt, denn dieser Patriotismus ging ihm leicht auf die Nerven, »beim Winken sieht es einem keiner an, ob man nun aus Magdeburg oder aus Miesbach stammt! Na also!«
    Sie überlegte angestrengt und sah ihn sehr aufmerksam an: »A bißl wie a Preuß schaugst schon aus, Onkel Lutz. Aber wenn du dir vielleicht an Gamsbart aufn Hut stecken tätst?«
    Der Fahrer, dessen Ohr und Mütze sie durch die kleine Scheibe in der Wand des Führerhauses sehen konnten, drückte die Kupplung, schaltete und gab Gas. Der Wagen setzte sich lärmend in Bewegung, und der Spitz Bello, den die donnernden Auspuffgeräusche erschreckten, wühlte sich in einen Haufen leerer Säcke. Es zog ein wenig durch die Planen, und Lutz hüllte Traudl und sich selber vorsichtshalber in die Wolldecken, die sie auf den Koffer geschnallt hatten. So, in die Decken gehüllt, war es ganz gemütlich warm, und der Wagen machte, da er nicht allzu schwer beladen war, selbst auf den Steigungen rasche Fahrt. Das einzige, was Traudl vermißte, war, daß sie nicht herausschauen konnte. Lutz meinte zwar, daß das eben der Unterschied zwischen »Anhalter« und D=Zug sei, aber er erhob sich, schwankte durch den Wagen und klemmte dort, wo sich die Planen rechtwinklig trafen, eine Zündholzschachtel quer in die weitmaschige Verschnürung. Wenn man das Auge dicht genug an den Schlitz heranbrachte, dann sah man Bäume und Sträucher vorbeiflitzen und jenseits des Gesträuchs den blitzenden Wasserspiegel des Chiemsees. Lutz winkte Traudl heran und schob ihr einen Koffer vor das kleine Guckloch, so daß sie Fahrt und Gegend sitzend genießen konnte.
    »Wenn du jetzt noch ein Butterbrot und einen Schluck Tee nimmst, dann kannst du dir einbilden, im Speisewagen zu sitzen.«
    »Frauenchiemsee!« rief Traudl. »Das kenn ich, Onkel Lutz, da war ich vorigen Sommer auf'm Schulausflug. Mit'm Boot sind wir 'rübergefahren, aber wie ich mir nachher eine Limonad und Würschtl kaufen wollt, da hätt' ich mein Geld verloren, ein ganzes Markl.«
    Lutz schob ein paar Säcke zurecht und breitete seine Decke darüber aus, bevor er sich langstreckte. Besser als mit diesem Getreidetransport hätten sie es gar nicht antreffen können. Es gab unangenehmere Ladungen, Mehl zum Beispiel, Kalksacke oder gar Maschinenteile, die in den Kurven ein gefährliches Eigenleben bekamen, ganz abgesehen davon, daß man sich daran die Knochen zerstieß. Dem Rudi im Führerhaus ging es glänzend. Wahrscheinlich würde er hinterher keinen anderen Wunsch haben, als später auch einmal als kühner Landstraßenkapitän hinterm Steuerrad zu sitzen, Gas zu geben, die Kupplung zu treten, zu schalten und mit dem Horn so viel Lärm wie nur möglich zu machen. Sicherlich ging das dauernde Gehupe vorn auf seine Rechnung. Er schien sich mit den Fahrern gut zu vertragen und winkte mit einer Laugenbrezel durchs Fenster, die er geschenkt bekommen hatte.
    Nun, vorläufig war ihm einmal die Reise bis Nürnberg sicher, und wenn sie dort kein Glück haben oder vom Lastwagenfahren genug bekommen haben sollten, dann blieb es ihnen immer noch unbenommen, für die letzten hundert Kilometer

Weitere Kostenlose Bücher