Vater sein dagegen sehr
die Eisenbahn zu benutzen. Und wenn man Traudl unter die Zehnjahresgrenze schwindelte und den Spitz Bello tief genug unter die Bank schob, dann kostete der ganze Spaß so viel wie die Fahrt für zwei Erwachsene. Jedenfalls brauchte es Lutz nicht mehr bange zu sein. Ein paar Moneten hatte er noch zu erwarten, und die Schulden, die er bei Margot hatte, drückten nicht und drängten nicht.
Margot... Es war, als sei ein Stichwort gefallen. Er hatte ihr in den drei Tagen seiner Abwesenheit nicht einmal eine Ansichtskarte geschrieben, obwohl sie es ihm dringend eingeschärft hatte, sie nicht ohne Nachricht zu lassen. Er gestand es sich nicht ein, daß er diese leichte Pflicht aus purer Feigheit versäumt hatte. Ihm war nicht ganz wohl, wenn er an das Gesicht dachte, das sie wohl machen würde, wenn er mit den beiden Kindern und dem Hund anrückte. Sie hatte etwas gegen Kinder, und sie hatte auch etwas gegen Hunde, vorläufig wenigstens. Nun ja, es würde sie fraglos beruhigen, wenn er ihr versichern konnte, daß sie sich nur an den Bello als Dauergast seiner Turmgemächer würde gewöhnen müssen. Und für Bellos liebenswürdige Eigenschaften konnte er ihr schon jetzt nach so kurzer Bekanntschaft mit dem Spitz bürgen. Er zweifelte nicht daran, daß Bello sich Margots Herz mit Männchen, Apportln, Bauchi=Zeigen und seinen übrigen Kunststückchen in kurzer Zeit erobern würde. Und, zum Teufel, die vier Wochen lang mußte sie sich auch mit der Anwesenheit der Kinder aussöhnen! Alles in allem genommen hatte er Traudl gegenüber doch nichts als die reine Wahrheit gesagt, wenn er behauptete, daß seine Margot ein fabelhafter Kerl sei und ein Kamerad, der mit einem durch dick und dünn marschiere.
Er zündete sich eine neue Zigarette am Rest der alten an, und zwischen seinen Brauen stand eine scharfe Falte.
War sie das wirklich? War sie das, was man eine Frau für jedes Wetter nannte? War sie bereit, mit ihm notfalls zu hungern, zu frieren und eventuell auch zu dürsten, falls man ihm einmal wegen Zahlungsschwierigkeiten die Wasserleitung absperrte, wie?
Er bemerkte nicht, daß Traudl ihren Koffersitz verlassen und sich neben ihm niedergelassen hatte.
»Was schaust so bös drein, Onkel Lutz?« wisperte sie.
»Laß mich«, knurrte er, »ich arbeite!«
»Dös sieht ma pfeigrad!« kicherte sie belustigt.
Er richtete sich halb auf und sah seine Nichte Traudl mit einem sehr unliebenswürdigen und ernsten Blick an. Es wurde Zeit, mit der Dressur zu beginnen und die junge Dame zu belehren, daß man in seinem Beruf nicht einen Hammer oder eine Schaufel in der Hand hielt, wenn man behauptete, daß man arbeite.
»Merk es dir für die Zukunft, mein Herzchen, und sag es auch deinem Bruder Rudi: wenn ich rauche und dabei ein sehr böses oder furchtbar blödes Gesicht mache, dann arbeite ich. — Und wenn wir uns in der Zukunft vertragen wollen, dann müßt ihr in solchen Stunden, oder wenn ich am Schreibtisch sitze und das niederschreibe, was ich mir überlegt habe, mucksmäuschenstill sein, sonst...«
»Kracht's!« ergänzte Traudl, als er zögerte.
»Wir haben uns also verstanden«, sagte er und ließ es offen, in welcher Weise es krachen würde.
Traudl nickte ihm zu: »Das kennen wir schon. Bei der Mutti war's grad so, wenn sie die Kasse abgerechnet hat oder fürs Finanzamt hat rechnen müssen. Da hat's manchmal geduscht, wenn der Rudi absolut keine Ruh nicht gegeben hat. Aber darauf kannst dich verlassen, Onkel Lutz, ich gib schon Obacht, daß der Rudi mäuserlstad ist, wenn du so ein G'fries machst, wie vorhin.«
Sie wollte sich wieder an ihr Guckloch verdrücken, aber Lutz war mit seinem Anfangserfolg so zufrieden, daß er auf die Fortsetzung der »Dressur« verzichtete und Traudl das »Teekesselspiel« beibrachte, das sie noch nicht kannte. Sie begriff sehr rasch, daß es dabei galt, Wörter von doppelter oder gar dreifacher Bedeutung zu suchen und durch Andeutungen ihres Begriffsinhalts raten zu lassen. Damit vergnügten sie sich bis weit über München hinaus, als die Vorgebirgslandschaft längst versunken war und die Hopfenkulturen der Hallertau im Sehschlitz vorüberflogen. Es war angenehm warm im Wagen, denn die Sonne stand am wolkenlosen Himmel und gab, auf das dunkle Zeltdach niederbrennend, eine ganz mollige Oberhitze. Sie erreichten Nürnberg am späten Nachmittag und erwischten, da das Glück ihnen wirklich hold war, an der Laderampe der Mühle, in der ihre Ladung gelöscht wurde, einen Dreieinhalbtonner, der
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