Vater sein dagegen sehr
bin ich wieder«, sagte er und hüstelte nervös, »aber — hm — nicht allein...« Er tastete über ihre Schulter hinweg und knipste die Treppenbeleuchtung an. Der schmale Lichtstreifen, der in die Dunkelheit stürzte, genügte, um Margot zwei kleine Gestalten, ein paar Kofferungetüme und zwei glühende Augen in Kniehöhe erkennen zu lassen. Sie griff hinter sich und trat einen kleinen Schritt zurück.
»Ja«, sagte Lutz, »das sind die Kinder meiner Schwester Hertha, Traudl und Rudi Luedecke — und das ist der Spitz Bello, der den Kindern gehört — und das sind ein paar Koffer mit Bettzeug und Wäsche und allem möglichen sonstigen Kram. Denn die Kinder bleiben vorläufig einmal vier Wochen lang bei mir, bis sie bei den Roeckels in Coburg ihre neue Heimat finden.«
Margot war fraglos überrascht, aber wenn sie über diesen unerwarteten Familienzuwachs enttäuscht war, dann verstand sie es, ihre Enttäuschung sehr geschickt zu verbergen.
»Also dann herein mit euch allen!« sagte sie resolut und griff nach dem Rucksack, den Lutz vor der Haustür abgelegt hatte. Die Kinder traten zögernd in das Lichtviereck. Der Bello beschnupperte mißtrauisch die Haustür und hob ein Bein. Lutz nahm die Koffer auf und schleppte sie einzeln die Treppen empor. Beim ersten Koffer folgte ihm der Bub, und beim zweiten das Mädl. Der Bello schlüpfte als letzter hinterdrein. Es war warm und behaglich im Zimmer, die Herdplatte glühte, alle Lampen brannten, und auf dem Herd summte der Wasserkessel. Die Kinder verhielten an der Tür, der Rudi drehte die Daumen, und die Traudl zog die rechte Schulter empor. Ihre Augen huschten wie flinke Mäuse in dem fremden Raum umher, aber wenn die Mäuse in Margots Nähe kamen, dann machten sie große und scheue Bögen um sie herum. Margot war sehr elegant angezogen. Sie trug ein schwarzes, enganliegendes Wollkleid mit einer Reihe stumpfer Jadeknöpfe, das, obwohl es hochgeschlossen war, ihre Formen durchaus nicht verhüllte. Ihre spitz zugeschliffenen Fingernägel waren dunkelrot lackiert.
»Ich habe den Kindern schon von dir erzählt«, sagte Lutz mit erzwungener Munterkeit, während er den Trenchcoat auf einen Stuhl warf und den Hut auf den Diwan schleuderte.
»Also ihr seid die Traudl und der Rudi... Nun kommt einmal her und laßt euch begrüßen.«
Die Kinder näherten sich ihr zögernd und mit vorsichtigen Schritten, als näherten sie sich einem Käfig, hinter dessen Gitterstäben ein krallenbewehrtes Raubtier lauerte. Margot ging ihnen entgegen und griff nach den schlaff herabhängenden Händen, die sie ihr mit verzagten Gesichtern überließen.
»Ich meine doch«, lächelte sie, »daß wir uns gut miteinander vertragen werden, gell, Traudl und Rudi?«
»Ja, Fräulein Sonnemann«, murmelten die Kinder zurückhaltend und nicht sehr überzeugt. Margot warf Lutz über ihre Köpfe hinweg einen raschen Blick zu. Er hob die Schultern unmerklich und verkniff leicht den Mund. Es konnte heißen: laß ihnen Zeit, erst einmal warm zu werden. Aber er sah mutlos aus, als mache er sich trübe Gedanken für die Zukunft.
Die Kinder waren rechtschaffen müde, besonders der Bub kämpfte mit dem Schlaf, und beide verspürten, obwohl sie unterwegs doch nicht mehr als ein paar Brote und einen Schluck Tee zu sich genommen hatten, vor lauter Schlafbedürfnis nicht einmal Hunger.
»Wie hast du dir das gedacht, Lutz?« fragte Margot einigermaßen gespannt. »Wie und wo sollen die Kinder nun schlafen?«
Der Bub erblickte den aus sechs Teilen zusammengesetzten Diwan und riß die Augen auf: »Mei'! Ist dös a Trumm Bettstatt, Onkel Lutz! Da schläfst du ganz allein herin, ha?«
Lutz zog es vor, die Frage zu überhören. Er überhörte auch Margots amüsiertes Kichern. Er kniff ein Auge zu und sah sich um und sah wie ein bedeutender Innenarchitekt mit einem bedeutenden Auftrag aus. — »Ich meine, wir nehmen den Diwan vorerst einmal auseinander und stellen die Hälfte davon in die Kammer hinüber; da sind die Kinder dann ungestört, und ich kann hier arbeiten und rauchen, solange es mir gefällt. Hilfst du mir ein wenig, Margot?«
»Natürlich. Aber ich werde dir morgen noch ein paar Matratzen herausschicken, damit du jedem Kind sein eigenes Bett auf bauen kannst.«
Die sogenannte Kammer war nicht viel kleiner als der Raum, den Lutz bewohnte. Aber sie war völlig verwahrlost. In den Ecken standen leere Flaschen, Pappkartons mit und ohne Inhalt, ehrwürdige, bestoßene Koffer und eine kleine Korbtruhe
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