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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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rechte Bein an der linken Wade.
    »Mei', wir haben das Geschirr vom Mittagessen abspülen müssen — und da hat der Rudi mir beim Abtrocknen geholfen — und da hat er eine Schüssel fallen lassen.«
    »Und wegen der lumpigen Schüssel...?«
    »Nein, nicht wegen der Schüssel — aber sie ist ihm ins Waschbecken gefallen — und das Waschbecken ist aus Porzellan — und die ganze Abwaschbrüh war drin — und die andern Teller auch, und wie das Waschbecken in Scherben gegangen ist, da sind die andern Töpf und Teller auch an den Boden gefallen und zerscherbelt — und die Abwaschbrüh ist über den Teppich geronnen — und von unten habens mit dem Besenstiel gegen die Decke geklopft und geschrien, daß ihnen das Wasser durch die Decke tropft und daß sie für unser Geld den Maler bestellen werden.«
    »Und an Prozeß Werdens machen, habens aa geschrien, weil die Tante Ulrike mit ihnen zerkriegt ist«, ergänzte der Rudi.
    Lutz konnte sich nicht länger halten. Er erstickte fast vor Lachen, er krümmte sich, und die Tränen rannen ihm über die Wangen. Sein Heiterkeitsausbruch kam für die Kinder nicht weniger unerwartet als vorher sein Zorn. Vielleicht war er ihnen sogar noch unverständlicher als sein Zorn. Sie starrten ihn ängstlich an.
    »Und dann weiter?« fragte er schließlich keuchend.
    »Mei', dann haben wir uns vor der Tante Ulrike gefürchtet, wenn sie heimkommt — und dann sind wir zum Bahnhof gerannt und haben uns zwei Fahrkarten nach Würzburg gekauft.«
    »Woher hattet ihr das Geld?« fragte er mißtrauisch.
    »Die Traudl hat doch noch ihr Sparbüchel g'habt!«
    »Mit dreiundzwanzig Markl!«
    »Und in Würzburg am Bahnhof haben wir uns Semmeln und Bratwürscht gekauft.«
    »Und dann sind wir mit der Trambahn zu dir gefahren, Onkel Lutz.«
    »Und dann warst du nicht daheim.«
    »Und dann haben wir uns auf die Treppe hingesetzt.«
    »Und dann sind wir eingeschlafen.«
    »Und dann hast du >heda< geschrien.«
    »Und dann sind wir auf gewacht.«
    »Und jetzt san mir hier.«
    Lutz strählte sich mit beiden Händen die Haare von den Ohren zum Hinterkopf und vom Hinterkopf zum Wirbel empor. Er sah wie ein Kronenreiher aus, aber die Kinder wagten nicht zu lachen.
    »Ja, jetzt seid ihr hier!« knurrte er und nickte mit steifem Hals. »Und was denkt ihr euch, was nun weiter geschehen soll, wie? Was denkt ihr euch, wie nun das weitergehen soll, he? Wie denkt ihr euch das, bitte?!«
    »Mei'«, sagten die Kinder und traten von einem Fuß auf den andern, »wir haben halt denkt...«
    »Was? Was? Was?!« schnaubte er, als sie stockten.
    »... daß wir doch bei dir bleiben dürfen?« sagten sie verzagt und zogen die Köpfe ein.
    »Und wir haben uns denkt...«, begann der Rudi.
    »— daß wir vielleicht jetzt, wo's auf den Sommer zugeht, im Stiegenhaus schlafen könnten«, schloß Traudl niesend.
    Die blauen Nasen hatten inzwischen eine glühende Purpurfarbe angenommen, und auch der Rudi schnüffelte bereits heftig.
    Lutz ging, die Finger in den Haaren vergraben, vor ihnen auf und ab, sechs Schritte bis zur Truhe und sechs Schritte bis zum Bücherregal an der gegenüberliegenden Wand. Eine schöne Bescherung! dachte er ratlos. Und ins Wasser wollen sie gehen, wenn ich sie fortschicke, ins Wasser! Und dieses Lausdirndl sah geradeso aus, als ob sie ihre Drohung wahrmachen würde! Also, zum Teufel, was sollte jetzt geschehen? Zunächst einmal mußte er natürlich die Roeckels benachrichtigen, wo die Kinder gelandet waren. Für das Telegramm war es morgen früh wohl noch zeitig genug. Kinder bei mir abzuholen! — Es war schon ein starkes Stück, das sie sich da geleistet haben! — Glatt auszureißen! Und hier ganz einfach zu erscheinen und zu sagen: da wären wir. — Aber weiter? Weiter? Schöne Scherereien, die sie ihm da einbrockten!
    »Habt ihr Hunger?« fauchte er sie an.
    »Ein Stückl Brot, wenn wir haben könnten?« schluckten sie.
    Er stellte den Wasserkessel auf, schnitt Brot, strich Butter und Mettwurst darauf und suchte, als das Wasser zu summen begann, die Büchse mit dem Pfefferminztee. Sie blieb verschwunden, auch als er sich ihretwegen auf die Knie niederließ, um in den Tiefen des Schrankes danach zu forschen.
    »Verdammt noch einmal, ich hab doch noch einen Pfefferminztee gehabt.«
    »Die Büchs steht hinten in der rechten Schublade«, sagte Traudl. Lutz fand sie tatsächlich in der rechten Schublade.
    Er brühte den Tee auf und goß jedem der Kinder einen Fingerhut voll Kirschwasser in die dampfende

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