Vater sein dagegen sehr
anstieß, um ihm mitzuteilen, daß er dringend Gassi geführt zu werden wünsche, dann scheuchte ihn Lutz nicht mehr brummend und unwillig auf sein Lager zurück, sondern lobte: »Bravo, alter Bello, schwarzer Satansbraten — her mit den Hausschuhen, jawohl, und bring mir auch das andere Schuhli, das du gestern unter dem Schrank versteckt hast!« Und tatsächlich schleppte ihm der Spitz den zweiten Schuh herbei und apportierte in tadelloser Haltung. Gewöhnlich machte er mit dem Hund nach dem Mittagessen einen langen Spaziergang, meistens am Main entlang, wo er ihn schwimmen und nach Steinen tauchen ließ, oder er wanderte mit dem Bello über die Höhen, die das Maintal vor den Nordwinden schützten und den Blick auf die zartblauen Konturen der Rhön freigaben.
Das Aufgebot hing in den Schaukästen der Standesämter. Es war auch ohne die fehlenden Urkunden gegangen. Und vierzehn Tage trennten Lutz noch von seiner Hochzeit, als das Telegramm einer Hamburger Wochenzeitschrift eintraf, die seine Greely=Geschichte angenommen hatte und anfragte, ob er mit einem Honorar von zweitausend Mark einverstanden sei. Er war allein im Turm, als die Depesche eintraf, und er wurde blaß, als er sie gelesen hatte. Der erste große Erfolg! Er saß länger als eine Stunde vor seinem Schreibtisch, die Stirn lag auf der Tischplatte, und es sah aus, als ob er vom Glück überwältigt und vom Reichtum erschlagen worden sei. Und er brauchte Kraft dazu, um sich zu erheben, um sich umzuziehen und in die Stadt zu fahren, um Margot das große Ereignis mitzuteilen.
»Eigentlich war es dein Fontane, Margötchen, dem ich das Große Los zu verdanken habe.«
»Ach, Lutz, da siehst du, wie nötig du mich brauchst. Und sonst — habe ich je daran gezweifelt, daß der Erfolg eines Tages zu dir kommen wird?« Sie rieb sich zärtlich an seiner Schulter und schnurrte wie eine kleine Katze. Er kannte sie und wußte, daß sie einen Wunsch auf dem Herzen hatte.
Also gut, er war bereit, sich den Frack bauen zu lassen.
»Weißt du, Lutz, es ist ein schöner Erfolg, ich finde ihn großartig, wirklich! Zweitausend Mark — oh — aber ich werde meinem Vater doch lieber sagen, daß es fünftausend sind, ja? Ich sage es dir nur, damit du dich nicht versprichst, falls das Gespräch einmal darauf kommt.«
Sein Herz tat einen kleinen Sturz. —
»Ja — um Himmels willen, Margot, warum diese Schwindelei? Ich verstehe dich nicht.«
»Ach, Liebling«, sagte sie zärtlich und schnurrte sich an seinen Rockaufschlägen zu seinen Lippen empor, »sehr einfach, weil fünf besser klingt als zwei — jedenfalls beruhigender.«
Lutz fügte sich innerlich widerstrebend in ihren merkwürdigen Wunsch, und er vergaß dieses kleine, ernüchternde Zwischenspiel, als er mit ihr ausging. Sie besuchten das Theater, wo sie eine recht ansprechende Carmen=Aufführung hörten, und später eine kleine Bar in der Theaterstraße, wo sie auf den hohen Stühlen hockten, ein paar Cocktails tranken und miteinander tanzten. Er war stolz und sehr glücklich. Zum erstenmal führte er sie aus, ohne — wie es früher oft genug geschehen war — nach einer heimlichen Aufnahme seines Barbestandes im Waschraum zum Schluß doch noch ihre Börse in Anspruch nehmen zu müssen. Scheußlich, wenn man das Gefühl hatte, alle Leute schauten gerade hin, wenn Margot ihm einen Schein unter dem Tisch zuschob! Damit war es jetzt vorbei.
Ihm wäre weniger wohl gewesen, wenn er geahnt hätte, daß das Schicksal für ihn an diesem ereignisreichen Tage noch eine zweite Überraschung in Bereitschaft hielt. —
N E U N T E S K A P I T E L
Kurz vor Mitternacht brachte er Margot heim, um noch den letzten Zug nach Hallfeld zu erwischen. Er verspürte, da er die Mixgetränke nicht gewohnt war, eine leichte Schwäche in den Beinen und eine angenehme Unternehmungslust im Kopf, die ihn veranlaßte, die Torero-Arie aus Carmen zu pfeifen, als er durch die ausgestorbenen Hallfelder Gassen seinem Turm zustrebte. Die Sichel des Mondes schwebte im ersten Viertel am Himmel, und im Westen wich der Orion den Sternbildern des Sommers. In der Nähe seiner Behausung regte sich bei Lutz das Gewissen, daß er den Bello länger als sieben Stunden ins Zimmer eingesperrt hatte. Hoffentlich war da kein Malheur passiert.
Vor der Eingangstür lag etwas auf der Schwelle. Wenn es ein Hund war, dann mußte es ein riesiger Köter sein. Oder was war es sonst? Hatte ihm etwa Herr Bonficht den letzten Zentner Briketts, mit dem er für den
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